Die Woche: Maemo in neuen Schläuchen

Maemo, Moblin, MeeGo, Tizen, Mer und Jolla: Es ist nicht ganz einfach, die Verwandschaftsverhältnisse der finnischen Mobile-Linux-Familie auseinanderzuhalten. Doch gerade diese Ahnenreihe macht Jolla zu einem aussichtsreichen Kandidaten auf dem Smartphone-Markt.

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Man kann mit Fug und Recht behaupten, das ursprünglich als Maemo gestartete Mobile Linux wechselt schneller seine Namen und die Akteure als andere Leute ihre Anzüge. Ich jedenfalls habe seit 2005 nur zwei gebraucht – bei Maemo ist man zwischenzeitlich beim sechsten Namen angekommen. Zugegeben, diese Zählweise ist nicht ganz fair, weil sie auch den Namen der Projekte mit rechnet, mit denen Maemo fusionierte oder die aus Maemo hervor gingen.

Nun wurde auf der Slush-Konferenz mit Sailfish OS von Jolla der jüngste Ableger der Maemo-Familie vorgestellt, der wieder einmal die Smartphone-Welt revolutionieren soll. Ein Blick in die Historie zeigt, dass dies keine Hirngespinste der Jolla-Marketing-Abteilung sind – mit diesen Wurzeln könnte Jolla tatsächlich den Durchbruch schaffen.

Dafür spricht, dass die Jolla-Entwickler die mit Abstand meiste Erfahrung mit mobilen Linux-Endgeräten haben. Sie haben, noch bevor Android und LiMo überhaupt ins Leben gerufen wurden, bereits Mobile-Linux-Geräte für den Massenmarkt produziert und in nennenswertem Umfang verkauft – nämlich 2005, als Maemo noch eine Abteilung des damaligen Handy-Riesen Nokia war. Das erste Maemo-Gerät für den Massenmarkt war das Nokia 770 Internet Tablet, es folgten die Modelle N800, N810, N850, N900, N950 und schließlich das N9, bei dem das Betriebssystem bereits MeeGo hieß – letztlich aber immer noch ein fast reinrassiges Maemo war.

Als Nokia Anfang 2011 seinen Ausstieg aus der Mobile-Linux-Entwicklung verkündete, führte Intel das MeeGo-Projekt unter dem neuen Namen Tizen fort – und mit Mer entstand ein MeeGo-Fork, der von der freien Entwicklergemeinde betreut wird. Die Maemo-Abteilung Nokias, nunmehr überflüssig, machte sich kurzerhand selbständig und gründete das Unternehmen Jolla.

Somit verfügt Jolla über rund 50 Entwickler, die nicht nur seit vielen Jahren im Mobile-Linux-Umfeld tätig sind, sondern auch die Erfahrung haben, eine Produktfamilie für den Massenmarkt stetig weiterzuentwickeln. Allerdings fehlt nun Nokia als namhafter Gerätehersteller, der Sailfish-Smartphones weltweit vertreiben könnte. Der chinesische Smartphone-Händler D.Phone kann Nokia wohl kaum ersetzen. Laut Jolla-Chef Jussi Hurmola gibt es aber schon Verhandlungen mit weiteren Partnern, zu denen man sich jedoch noch nicht äußern will.

Bei der Weiterentwicklung hat Jolla mit der Veröffentlichung von Sailfish OS, das einen Mer-Kernel verwendet, der neuen Benutzeroberfläche und dem SDK die Spitzenposition unter den Maemo-Ablegern eingenommen – keines der anderen Maemo-Projekte ist annähernd so ausgereift. Hinzu kommt, dass unter Sailfish OS auch Android-Apps laufen sollen, was für eine große Software-Auswahl sorgen würde – ohne dass Jolla die App-Entwickler erst überzeugen müsste, ihre Programme für eine weitere Smartphone-Plattform zu entwickeln.

Letztlich gibt es noch drei große Stolpersteine: Sailfish OS muss in den nächsten Monaten fertiggestellt werden, und dann muss Jolla einen Weg finden, Sailfish-Smartphones weltweit und nicht nur in China anzubieten. Schließlich muss Jolla noch Google davon überzeugen, Sailfish-Smartphones Zugriff auf den Android Market zu gewähren, damit Anwender dort Apps herunterladen und kaufen können. Andernfalls käme Jolla nicht umhin, einen eigenen App-Store aufzubauen und die App-Anbieter zu überzeugen, neben dem Apple Store und Android Market eine dritte Smartphone-Plattform zu unterstützen. (mid) (mid)