Netzpolitiker des Bundestags: Breitbandausbau Fehlanzeige

Die Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft hat sich nicht auf eine Empfehlung zum flächendeckenden Ausbau schneller Netzverbindungen verständigen können. Auch bei Green IT gab es keine Mehrheit.

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Die Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft des Bundestags hat sich nicht auf eine Empfehlung zum flächendeckenden Ausbau schneller Netzverbindungen verständigen können. Auch nach teils mehrmaligem Durchzählen fanden sämtliche Anträge zu dem Thema einschließlich eines Papiers der schwarz-gelben Koalition bei der Sitzung des Gremiums am Montag keine Mehrheit. Das einschlägige Kapitel des behandelten Zwischenberichts zu "Wirtschaft, Arbeit und Green IT" werde nun "völlig entkernt zum Breitbandausbau in der Fläche", beklagte Sebastian Blumenthal von der FDP-Fraktion. Er empfahl, "noch mal redaktionell eine Runde zu drehen", was aber ebenfalls abgelehnt wurde.

Thomas Jarzombek von der CDU/CSU-Fraktion empfand es als skurril, dass ein zunächst noch von vier Fraktionen mitgetragener Text letztlich doch nicht durchgekommen sei. Auch der bisherige Infrastrukturausbau etwa über den Mobilfunkstandard LTE sei etwa noch von der großen Koalition vorangetrieben worden. Der für die FDP in der Kommission sitzende Sachverständige padeluun vom Verein digitalcourage bot sogar an, seine Nein-Stimme zur Koalitionsformulierung bei einer erneuten Abstimmung zurückzunehmen und in eine Enthaltung umzuwandeln. Diesen Vorschlag empfand der Kommissionsvorsitzende Axel E. Fischer (CDU) aber als inakzeptabel.

Koalition und Opposition hatten sich zuvor schon im Plenum mehrfach einen Schlagabtausch rund um die breitbandige Zukunft geliefert. SPD, Linke und Grüne plädierten dabei für eine Verpflichtung für Provider im Rahmen einer Ausweitung der Universaldienstbestimmung, letzte Lücken bei der Versorgung zu schließen und "Breitband für alle" zu verwirklichen. Die Union und die FDP setzen dagegen auf neue Instrumente aus dem Telekommunikationsgesetz zur einfacheren Verlegung etwa von Glasfaserleitungen und auf den Markt. Redner der Opposition begrüßten nun die Tatsache, dass es in dieser Streitfrage im Kommissionsbericht nur gleichberechtigte "Sondervoten" im hinteren Teil geben wird.

Recht schwach fallen die Empfehlungen des Gremiums zu grüner Informationstechnik aus. Die Abgeordneten und Sachverständigen hatten dazu extra ein Gutachten mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit beim Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit in Kooperation mit dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) bestellt. Der Stromverbrauch informationstechnischer Geräte sei hierzulande in den vergangenen Jahren enorm angestiegen auf 11 Prozent des gesamten Energiebedarfs, bis 2020 belaufe sich dieser Anteil sogar auf rund 20 Prozent, erklärte Borderstep-Gründer Klaus Fichter. Er riet dazu, bestehende Förderprogramme "in einer Gesamtansicht mit dazugehörigen Daten zu bündeln", in einem nationalen Fahrplan konkrete Ziele und funktionierende Beispiele für Green IT aufzuzeigen sowie eine Initiative für mehr klimaneutrale Rechenzentren zu starten.

Einsparungen durch den Einsatz rechnergesteuerter Abläufe etwa im Verkehrs- oder Gebäudemanagement seien kein Selbstläufer, führte Fichter aus. Die Vermehrung von IT-Geräten könne insgesamt sogar zu einem Mehrverbrauch an Energie führen. Auf mittelständische Unternehmen kämen auch durch die Einführung von Messpflichten kein großer bürokratischer Aufwand zu, suchte er Einwände der Union zu entkräften. Es gebe dafür sehr effiziente Erhebungsmethoden. Trotzdem ließ die Koalition einen von den Grünen gelieferten Textbaustein, der die Ratschläge aus dem Gutachten in eine konkrete Kommissionsempfehlung umzuwandeln suchte, durchfallen.

Eine längere Diskussion löste auch ein Vorstoß der Linken Halina Wawzyniak aus, die gegenwärtige allgemeine Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen zumindest "als Sachstand" aufzunehmen und "prekär Beschäftigte" besser abzusichern. Dabei handle es sich nicht um ein "internetspezifisches Thema", hielt Nadine Schön von der CSU dagegen. Gerold Reichenbach (SPD) konterte mit dem Hinweis, dass das Phänomen, auf Festanstellungen zu verzichten, im IT-Sektor besonders häufig auftrete und das Thema daher relevant sei. Eine Mehrheit fand die Initiative trotzdem nicht.

Die im Konsens verabschiedeten Teile des Reports sprechen Themen an wie eine bessere Förderung von Gründern etwa durch eine verstärkte Finanzierung durch Wagniskapital, ein Recht auf "Nicht-Erreichbarkeit" in der vernetzten Arbeitswelt oder die gezielte Nachwuchsausbildung in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Eine steuerliche Forschungsförderung wird parallel zur projektbezogenen Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten empfohlen. Oppositionsanträge etwa zu Mitbestimmung, Beschäftigten-Datenschutz & sozialer Absicherung werden dagegen nur als Sondermeinung Eingang in die Analyse finden. Gremiumschef Fischer lobte im Anschluss, dass nun 7 von 12 angestrebten Zwischenberichten verabschiedet seien. Damit handle es sich um eine der schnellsten und effizientesten parlamentarischen Enquete-Kommissionen überhaupt. (vbr)