Nanopartikel machen Dampf

Mit einem neuen Verfahren aus der Materialwissenschaft könnte der Energiebedarf bei Industrieanlagen deutlich reduziert werden.

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Von
  • Phil Muncaster

Mit einem neuen Verfahren aus der Materialwissenschaft könnte der Energiebedarf bei Industrieanlagen deutlich reduziert werden.

Die Dampferzeugung ist bei vielen industriellen und kommerziellen Prozessen eine Notwendigkeit – sei es nun in der Stromproduktion, der Chemieindustrie oder bei Ent- und Versorgern. Dabei werden große Energiemengen verbraucht. Wasser oder andere Flüssigkeiten müssen schließlich zunächst erhitzt und dann zum Kochen gebracht werden.

Forscher an der Rice University in Texas haben nun eine mögliche Abkürzung gefunden: lichtabsorbierende Nanopartikel, die die sie umgebenden Wassermoleküle in Dampf verwandeln können, ohne dass die Temperatur des Wassers selbst merklich ansteigen müsste. Der Trick könnte Strom und vor allem Kosten sparen helfen.

Das Wissenschaftlerteam nutzte eine sogenannte Fresnellinse, um das Sonnenlicht auf eine kleine Wasserröhre zu fokussieren, die eine hohe Konzentration spezieller Nanopartikel enthielt. Das Wasser generierte innerhalb von fünf bis 20 Sekunden Dampf, abhängig von der Zusammensetzung der Partikel – obwohl es zuvor auf eine Temperatur leicht oberhalb des Gefrierpunktes heruntergekühlt worden war. Die von den Forschern gemessenen Werte zeigten, dass bis zu 82 Prozent des durch die Nanopartikel absorbierten Sonnenlichts zur Dampferzeugung genutzt wurden. Nur 18 Prozent der Energie heizte das Wasser auf.

"Es ist eine neue Methode, um Dampf zu erzeugen, ohne das Wasser zum Kochen zu bringen", sagt Naomi Halas, Direktorin des Laboratory for Nanophotonics der Rice University. "Die Arbeit öffnet viele interessante Türen." Sie erwarte zahlreiche neue Anwendungsfelder.

Die neue Technik könnte beispielsweise zu neuartigen Dampfgeneratoren für die Wasserreinigung führen, die wesentlich kostengünstiger sind als aktuelle Systeme. Auch bei der Sterilisierung medizinischer Instrumente oder in der Abwasserbehandlung sieht Halas Einsatzmöglichkeiten. All das ginge mit der Technik auch im nichtindustriellen Maßstab, beispielsweise in Entwicklungsländern mit eingeschränkter Infrastruktur.

Die Verwendung von Nanopartikeln zum Wärmetransfer in Wasser und anderen Flüssigkeiten wird zwar schon seit längerem erforscht, doch nur wenige Wissenschaftler haben sich bislang angesehen, ob die neuartigen Materialien auch zur Lichtabsorption und damit zur Dampferzeugung genutzt werden können.

Halas und ihre Kollegen nutzten Partikel, die auf die Verwendung des breitestmöglichen Sonnenlichtspektrums optimiert waren. Trifft das Licht die Nanoteilchen, steigt ihre Temperatur schnell auf über 100 Grad Celsius. Die umgebenden Wassermoleküle verdampfen.

Wie die Partikel mit den Wassermolekülen konkret interagieren, ist noch ein kleines Rätsel. Konventionelle Wärmetransfermodelle legen nahe, dass das absorbierte Sonnenlicht sich in die umgebende Flüssigkeit verteilen müsste, bevor Wassermoleküle verdampfen können. "Es scheint eine Wärmesperre auf Nanoebene zu geben, weil sich sehr schnell enorm viel Dampf entwickelt", sagt Halas. Auf die Gesamtenergiemenge gerechnet ergibt sich immerhin ein Wirkungsgrad von 24 Prozent – 24 Prozent des auftreffenden Sonnenlichts werden also zur Dampferzeugung genutzt.

Todd Otanicar, Maschinenbauingenieur an der University of Tulsa, der die Rice-Studie kennt, meint, dass die Erkenntnisse signifikante Auswirkungen etwa auf große Solarthermie-Anlagen haben könnten. Dabei wird konzentriertes Sonnenlicht verwendet, um eine Flüssigkeit wie beispielsweise ein Öl zu erwärmen, was dann wiederum zur Dampferzeugung genutzt wird. Otanicar schätzt, dass eine direkte Dampferzeugung mit Nanopartikeln eine Wirkungsgradsteigerung von immerhin 3 bis 5 Prozent erzielten könnte. Gleichzeitig würden die Kosten um 10 Prozent sinken, weil das Design einer solchen Anlage weniger komplex wäre.

Zu klären ist allerdings noch, wie haltbar die Nanopartikel sind, wenn sie wiederholt Sonnenlicht absorbieren und Dampf erzeugen müssen. Der in der aktuellen Studie erzielte Wirkungsgrad von 24 Prozent sei aber ermutigend, sagt der Forscher. "Wir stehen bei der Optimierung dieses Ansatzes noch ganz am Anfang." (bsc)