Kommentar: Der Papst folgt sich selbst

Laut dem Vatikan geht es beim Twittern "um ein poetisches Arbeiten, um Weisheit und Präzision miteinander zu verknüpfen". Das werden alle Verächter und Kulturkritiker der Kurzbotschaften von Twitter oder ähnlichem erst einmal verarbeiten müssen.

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Von
  • Florian Rötzer

Der Papst twittert, richtiger: für ihn wurde am Montag ein Twitter-Account angelegt. Bescheiden tritt Benedikt XVI. nicht als Pontifex Maximus auf, sondern lediglich als Pontifex: @Pontifex.

Obgleich es Joseph Ratzinger noch spannend macht und erst am 12. Dezember seinen ersten Tweet abschicken soll, was er vermutlich nicht selbst machen wird, hat er schon in kürzester Zeit über 350.000 Follower - und es kommen in rasanter Geschwindigkeit immer mehr. Das zeigt einmal wieder, dass der Papst der Hirte einer Herde ist, die auch dann folgt, wenn es keineswegs klar ist, wohin die Reise geht. Überlasten wird er oder sein digitaler Adlatus die Anhänger nicht mit Tweets; wie es heißt, soll jeweils mittwochs zur Generalaudienz eine schwergewichtige Botschaft versendet werden. Fragen soll man den Papst auch unter dem Hashtag #AskPontifex können, einige will er dann auch beantworten.

Die Devise des ersten twitternden Papstes ist laut dem Vatikan, dass "Sinn-Botschaften, darunter auch religiösen Inhalts, nicht mehr einfach nur ausgestrahlt, sondern sie müssen geteilt werden". Das hat man bislang nur mit dem Brot gemacht. Und weil Benedikt nicht einfach halt auch machen kann, was jeder macht, muss Twitter schon mal aufgeladen werden: "Twitter erlaubt es, wesentliche und kurze Botschaften zu formulieren: Da geht es um präzise Worte, die ein gewisses Arbeiten an der Sprache voraussetzen. Es geht fast um ein poetisches Arbeiten, um Weisheit und Präzision miteinander zu verknüpfen. Die Herausforderung heißt: Die Kürze darf nicht auf Kosten der Tiefgründigkeit gehen! Stattdessen geht es um eine noch gezieltere und dichtere Meditation. Das zeigt der große Erfolg von Versen, von Poesie auf Twitter."

Das werden nun alle Verächter und Kulturkritiker der Kurzbotschaften von Twitter, Facebook oder SMS erst einmal verarbeiten müssen. Möglicherweise wird die Zeit kommen, wenn Benedikt während der Messe einen Tweet an seine weltweite Gemeinde schickt. Ob der Papst dann auch noch bloggen wird, in Facebook und bei Google+ postet, um alle Kanäle mit katholischen Haikus zu füllen, muss abgewartet werden. Da waren die Zeiten doch einfacher, als man vor dem Altar oder in Massenmedien die Botschaften noch "ausgestrahlt" hat und sie nicht teilen muss.

Interessant ist natürlich nicht nur, wer und wie viele dem Pontifex folgen, sondern wem Gottes Stellvertreter selbst folgt. Das ist naturgemäß schwierig, weil man Gott oder Jesus auf Twitter nicht wirklich folgen kann. Im Vatikan hat man sich erst einmal für die narzisstische Variante der Selbstreferenz entschieden. Benedikt folgt sich selbst siebenmal in unterschiedlichen Sprachen, darunter auch auf Arabisch. (fr)