Knorpel aus dem 3D-Printer

US-Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, mit dem Gelenkgewebe künstlich erzeugt werden kann.

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US-Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, mit dem Gelenkgewebe künstlich erzeugt werden kann.

Ob Actionfigur oder mechanisches Bauteil – mit 3D-Druckern werden immer mehr Strukturen automatisch hergestellt. Bioforscher am Wake Forest Institute of Regenerative Medicine in North Carolina haben nun sogar naturnahes Knorpelgewebe "ausgedruckt". Das Endprodukt ist ein robustes Fasermaterial, auf dem Knorpelzellen, die aus Hasenohren kultiviert wurden, sitzen. Die so entstandenen Gewebeblöcke sollen fein genug für Implantate sein.

Der verwendete 3D-Printer nutzt eine Kombination aus dem sogenannten Elektrospinnen, bei dem sich extrem dünne Fasern kontrolliert aus einer Lösung heraus herstellen lassen, und einem Tintenstrahlverfahren, mit dem die Zellen "ausgedruckt" werden können. Fasern und Zellen wechseln einander ab, bis ein stabiles Stück entsteht, das sich dann in den Körper einsetzen lässt. Die einzelnen Schichten sind dabei nicht mehr zu unterscheiden.

Aufbau eines Gelenks.

(Bild: Wikipedia)

In einem über zwei Monate laufenden Tierversuch an Mäusen zeigte sich, dass die implantierten Blöcke eine Zellstruktur bekamen, die der natürlichen Knorpelgewesens entsprach. Dank der Fasern ergaben sich zudem ähnliche mechanische Eigenschaften mit guter Belastbarkeit. Um dies zu testen, setzten die Forscher eine Woche lang Gewichte an einen der Gewebeblöcke und prüften anschließend, ob die Knorpelzellen noch lebten.

Sowohl der Tintelstrahldruck als auch das Elektrospinnen sind vergleichsweise kostengünstige Verfahren, die eine Kombination natürlicher und künstlicher Ausgangsmaterialien erlauben. Es ergibt sich ein Gesamtprodukt, das an echtes Gewebe erinnert. Die Forscher nennen ihre Methode daher "Hybriddruck".

Die verschiedenen Verfahrensschritte.

(Bild: WFIRM / IoP)

Ziel der Studie, an der unter anderem der Mediziner James Yoo arbeitet, ist es, eines Tages Knorpelgewebe für den Menschen zu erzeugen. Dieses könnte beispielsweise helfen, dass künstliche Gelenke seltener eingesetzt werden müssen, weil sich angegriffener Knorpel rechtzeitig austauschen lässt und es seltener zu irreparablen Gelenkschäden kommt.

"Dies ist eine Proof-of-Concept-Studie, die illustriert, dass eine Kombination aus mehreren Materialien und Herstellungsmethoden haltbare implantierbare Konstrukte erschaffen kann", sagt Yoo. "Andere Herstellungsmethoden, etwa durch robotische Systeme, werden derzeit entwickelt, um die Produktion implantierbarer Gewebekonstrukte weiter zu verbessern."

Das verwendete Fasermaterial besteht aus einem synthetischen Polymer. Zusammen mit den Knorpelzellen ergab sich so ein Quadrat mit einer Diagonale von 10 Zentimetern und einer Dicke von 0,4 Millimetern.

Der 3D-Printer.

(Bild: WFIRM / IoP)

Beim Menschen ließe sich ein solches künstliches Knorpelstück genau anpassen: Die Forscher stellen sich vor, dass die notwendigen Maße zunächst über eine Kernspinaufnahme genommen werden, beispielsweise von einem Knie. Anschließend lässt sich ein Bauplan erstellen, wie das Implantatskonstrukt auszusehen hat. Auch Anpassungen bei der Belastbarkeit wären so im Vorfeld vornehmbar. Nach der Herstellung im 3D-Printer würde das neue "Bauteil" dann eingesetzt.

Aktuell lässt sich beschädigtes Knorpelgewebe nur schlecht heilen – es wächst normalerweise auch nicht von selbst nach. Aus diesem Grund setzen Chirurgen auf Gewebetransplantationen, bei der gesundes Knorpelgewebe in minimalem Maßstab versetzt wird. Die Dämpfungsfunktion, die der Knorpel hat, lässt sich so aber nur teilweise wieder herstellen – auch andere Verfahren bringen zu wenig Entlastung. Aus diesem Grund muss nach einer gewissen Zeit ein künstliches Gelenk eingesetzt werden.

Ob der künstliche Knorpel von Yoo und seinem Team als Alternativmaßnahme für ein neues Gelenk auf Dauer eine Lösung ist, muss ebenfalls erst nachgewiesen werden. Es könnte passieren, dass eingesetztes Gewebe nach einiger Zeit wieder abstirbt. Festgestellt werden müsste unter anderem, ob die Durchblutung adäquat ist, um die implantierten Zellen auf Dauer am Leben zu halten – im menschlichen Körper und über die im Tierversuch überprüfte Dauer von 8 Wochen hinaus. (bsc)