Software komponiert Soundtracks

Österreichische Forscher haben ein Programm entwickelt, mit dem auch unmusikalische Menschen Filmmusik erstellen können.

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Österreichische Forscher haben ein Programm entwickelt, mit dem auch unmusikalische Menschen Filmmusik erstellen können.

Ohne die passende Musik wären Filme nichts. Das ist bei einem Action-Streifen genauso wie bei einem Imagevideo. Wissenschaftler am Institut für Creative Media Technologies der Fachhochschule St. Pölten haben eine Software namens GeMMA ("Generative Music for Media Applications") entwickelt, mit der auch musikalisch unbegabte Menschen einen interessanten Soundtrack erstellen können.

Dabei arbeitet das System nicht mit Notenblättern oder Klaviaturen, sondern mit semantischen Vorgaben: Nutzer wählen aus zahlreichen Begriffen aus, die die Szenen beschreiben und setzen die Musik so Schritt für Schritt zusammen. Filmgenres sind ebenso wählbar wie Emotionen, die die Figuren empfinden, oder auch Handlungspassagen. Die Selektion erfolgt per Pulldown-Menü.

GeMMA-Grundprinzipien.

(Bild: FH St. Pölten)

Bei der Konfiguration steht ein Begriff wie "Anspannung" beispielsweise für eine hohe Geigenpassage, der Begriff "Krieg" für militärisch gespielte Trommeln. Welche Passagen welchem Musikstil entsprechen, wählt GeMMA anhand einer Datenbank aus, in der 500 Szenen aus 250 Kino-Kassenschlagern mitsamt Soundtrack und Beschreibung stecken. So "lernt" die Software, was die Begriffe bedeuten und erstellt ein Beschreibungsdokument.

Die endgültige Komposition erfolgt aber nicht einfach durch das Abschauen der Tonfolgen aus dem Kino, sondern "auf Basis mathematisch formulierter Gesetzmäßigkeiten von Kompositionen", wie die Forscher erklären. Das Ergebnis ist ein als MIDI-Musikdatei ausgegebenes Stück, das lizenzfrei genutzt werden und mit Musikeditoren wie Steinberg Cubase, Ableton Live oder NI Core weiterverarbeitet kann. Wem das zu holzschnittartig ist, der kann GeMMA auch eine Referenzmusik vorgeben, an der sich der Kompositionsalgorithmus dann orientiert. Instituts- und Projektleiter Hannes Raffaseder sieht viele Anwendungsbereiche für GeMMA: "Die Einsatzmöglichkeiten reichen von der Erstellung von Soundtracks, Games und Imagevideos bis hin zur pädagogischen Musikvermittlung."

Musik per Pulldown-Menü.

(Bild: FH St. Pölten)

GeMMA lasse sich zudem als Software-Framework auch in andere Programme einbinden. Ein Beispiel ist die Applikation "JazzPainter" für Tablet-Rechner. Nutzer können mit dieser eine Jazzkombo aus Klavier, Gitarre, Bass und Schlagzeug zusammenstellen und durch einfache Fingerbewegungen Instrumente und Passagen betonen. GeMMA greift im Hintergrund auf eine eingebaute Datenbank mit Jazzstandards zurück und generiert je nach Nutzerinteraktion passende Melodien. Ein weiteres Projekt soll den schulischen Musikunterricht interaktiver gestalten. Kinder und Jugendliche könnten damit künftig unterschiedliche Kompositionsmodelle spielerisch verstehen.

Die Soundtrack-Fähigkeiten der Software könnten Hobby- oder Industriefilmern dienen, die sich keine teuren Komponisten und auch keine GEMA-freie Musik für ihre Werke leisten können – oder diese nicht nutzen möchten. "Die Auswahl von passender Medienmusik stellt oft eine schwierige Aufgabe dar. Vor allem bei Low-Budget-Produktionen", schreiben die Projektmacher. "Es wird auf lizenzfreie Musikbibliotheken zurückgegriffen, die jedoch häufig klischeehaften Charakter aufweisen und selten die angestrebte Wirkung erzielen."

GeMMA soll die Kommunikation zwischen Regisseur und Komponist verbessern.

(Bild: FH St. Pölten)

Die resultierenden Tonspuren hätten vielfach mangelnde Originalität und einen geringen Wiedererkennungswert. "Es sollte daher ein Tool entwickelt werden, das die Auswahl von Medienmusik durch eine optimierte Benutzerführung und geeignete, aktuelle Forschungen über Kategorien, Funktionen und Wirkungen von Medienmusik berücksichtigende Vorschlagssysteme vereinfacht."

GeMMA könnte aber auch Profiregisseuren dabei helfen, besser mit ihren Komponisten zu kommunizieren. Oft spreche man hier aneinander vorbei, weswegen auch aus Zeitmangel temporäre Soundtracks verwendet würden, an die sich die Endkompositionen dann anlehnten, hat das Forscherteam festgestellt. GeMMA orientiert sich dagegen am Vokabular des Regisseurs und passt sich an das Genre an. (bsc)