Maut jenseits von Toll Collect: LKW-Maut auf allen Straßen gefordert

Nach Bayern und Baden-Württemberg hat sich nun auch Nordrhein-Westfalen für eine flächendeckende LKW-Maut auf allen Straßen ausgesprochen, wenn die Mautverträge mit Toll Collect 2015 auslaufen. Die technischen Szenarien stehen.

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Von
  • Detlef Borchers

Die LKW-Maut und die Frage, wie es mit dem deutschen Mautsystem weitergehen kann, wird Thema des aufziehenden Wahlkampfes zur Bundestagswahl 2013. Nach Bayern und Baden-Württemberg hat sich nun auch Nordrhein-Westfalen für eine flächendeckende LKW-Maut auf allen Straßen ausgesprochen, wenn die Mautverträge 2015 auslaufen. Zu diesem Zeitpunkt wäre das Maut-Konsortium von Toll Collect verpflichtet, das Mautsystem abzubauen oder an den Bund zu übergeben.

Gegenüber dem Spiegel erklärte der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Michael Groschek (SPD), dass die Verkehrinfrastruktur in einem besorgniserregenden Zustand und chronisch unterfinanziert sei. Ohne eine Ausweitung der LKW-Maut auf alle Straßen seien die Mittel zu knapp, die marode Infrastuktur zu modernisieren. Nach dem Bericht zur Tätigkeit der zuständigen Verkehrsinfrastrukturgesellschaft der Bundesregierung wurden dank dem Mautsystem im Jahre 2011 nach Abzug der Kosten von 1,17 Milliarden insgesamt 3,31 Milliarden Euro eingenommen, von denen 2,73 für den Bau oder die Sanierung von Autobahnen ausgegeben wurden.

Der Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen zur Ausweitung der Maut erfolgt vor dem Hintergrund, dass die Verträge zum deutschen Maut-System im Jahre 2015 auslaufen und eine Neugestaltung der über 10 Jahre alten Technik diskutiert wird. Mit der Ausweitung der LKW-Maut auf vierspurige Bundesstraßen hat Toll Collect im Sommer zwar gezeigt, wie es mit dem Ausbau des Mautsystems weitergehen kann, doch stehen der Fortentwicklung in der Fläche erhebliche Schadensersatzforderungen des Bundes entgegen.

Weil die Maut im Herbst 2003 mit 16-monatiger Verspätung gestartet war, fordert die Bundesregierung vom Betreiberkonsortium Toll Collect einen Schadensersatz von 5,1 Milliarden Euro. Zur Verhandlung über diesen Schadensersatz wurde 2004 ein Schiedgericht installiert, das inzwischen selbst über 50 Millionen Euro Kosten produziert hat. Diese Verhandlungen stecken derzeit fest, nicht zuletzt deswegen, weil die Partner des Toll Collect-Konsorstiums (Deutsche Telekom, Daimler-Benz, Cofiroute) es über 10 Jahre unterlassen haben, Rückstellungen für diesen Schadensersatz zu bilden.

Nach einem Bericht des Tagesspiegel könnte eine Lösung der Streitfrage darin bestehen, dass der Bund Toll Collect übernimmt, für eine "strategische Sekunde" lang besitzt und dann an ein neu geordnetes Maut-Konsortium übergibt. In diesem Konsortium könnte die Deutsche Telekom die erste Geige spielen, da ein modernes Mautsystem allein auf GPS-Basis mit On Board Units nach dem Prinzip der Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) möglich ist – und keineswegs auf Autobahnen beschränkt bleiben muss. Ob dies sofort so kommen wird, wie es ein Kommentar des Tagesspieges nahelegt, ist ungewiss: Nach den von Wikileaks geleakten geheimen Maut-Verträgen kann der Bund die Vereinbarung drei Mal um jeweils ein weiteres Jahr verlängern, bis man eine technisch bessere Alternative gefunden hat. Eine entsprechende Findungsskommission befasst sich seit Sommer 2012 mit den möglichen Entwicklungszenarien. (jk)