WCIT vertagt vorerst Streit um Internet-Kontrolle

Nach erst einmal abgewimmelten Vorschlägen auf dem Welt-Kommunikationskongress der ITU würde die Telecom-Regulierung auf das Internet ausgeweitet und die Vorstellung nationaler Segmente des Internets eingeführt. DIe Verhandlungen gehen weiter.

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  • Monika Ermert

Nach der Vorstellung einiger Länder auf der WCIT soll der künftige Welttelekommunikationsvertrag (ITR) nicht nur die Telefon-Netze, sondern auch allgemein Informations- und Kommunikations-Technologie einschließen. Die USA, die EU und ihre Partner sind dagegen.

(Bild: Monika Ermert / heise online)

Der umstrittene Extremvorschlag für die künftigen International Telecommunications Regulations (ITR) ist erst einmal vertagt worden. In einer mit Spannung erwarteten Plenarsitzung am Montagabend ließ der Vorsitzende der World Conference on International Telecommunication (WCIT), Mohamed Nasser Al Ghanim, die beiden heikelsten Vorschläge gar nicht erst zu. Dabei handelte es sich um den Vorschlag zu den ITR von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Russland und China sowie um das von Russland eingebrachte Internetkapitel. Al Ghanim kündigte weitere Beratungen mit den Regionen und die Vorlage eines finalen Kompromissvorschlages für die Konferenz für Dienstag an.

Nach den nunmehr erst einmal abgewimmelten Vorschlägen würde der Anwendungsbereich der Telecom-Regulierung deutlich ausgeweitet und das Internet mit einbezogen. Der Vorschlag Russlands für ein Internetkapitel erkennt zwar einerseits an, dass Netzverwaltung und -Management Aufgabe von Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft sind, wartet aber gleichzeitig mit dem völlig neuen Konzept eines nationalen Segments des Internet auf, das dann wieder die jeweilige Regierung kontrolliert.

Bis zuletzt hatte die Delegation der Vereinigten Arabischen Emirate darauf beharrt, ihren Komplettvorschlag nicht zurückziehen. Auch als das Sekretariat der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) twitterte, der Vorschlag sei offiziell zurückgezogen, wollte der Vizedelegationschef Tariq Al Awadi davon nichts wissen. Im Plenum blieben die Gastgeber jedoch ebenso wie China und Russland merkwürdig wortlos. Russland kam auch auf sein umstrittenes Internetkapitel nicht mehr zurück. Ägypten schließlich distanzierte sich mit deutlichen Worten und unterstrich, es habe den per WCITLeaks zirkulierten Vorschlag niemals unterstützt, da man für einen allgemeinen Vertrag und für ein freies Internet sei.

Die Delegation der Vereinigen Arabischen Emirate nannte nach dem Plenum den von WCITLeaks veröffentlichte Text schließlich selbst "ein Dokument mit Fehlern". WCITLeaks sei eben auch keine offizielle Plattform und könne veröffentlichen, was immer es wolle. Man warte jetzt erst einmal den vom eigenen Vorsitzenden versprochenen Vorschlag ab, versicherten Al Awadi und seine Mitstreiter. Zur Grundsatzfrage, ob das Internet denn nun in den Vertrag hinein gehöre oder nicht, sagte ein Delegationsmitglied: "Internet ist ein großes Wort und jeder versteht etwas anders." Die Gastgeberdelegation unterstreicht, die künftigen ITR sollten allgemeine Prinzipien zu Spam, eWaste oder Energieeffizienz enthalten. Dabei gehe es nicht um "Inhalte", auch nicht bei Spam.

Entscheidend für den Erfolg der Konferenz ist jetzt der Erfolg der vom Konferenzvorsitzenden Al Ghanim anberaumten Sitzung mit Vertretern der Regionen. "Ich werde diese Gruppe nicht entlassen, bevor wir fertig sind, auch wenn wir die ganze Nacht hier bleiben müssen", kündigte Al Ghanim an.

Wie schwer sich die ITU-Mitgliedsstaaten mit Kompromissen zum Netz tun, belegte einmal mehr die wieder eröffnete Debatte zu einem Verweis auf die Menschenrechte in der Präambel der ITR. "Bei der Umsetzung dieser Bestimmungen sollen Mitgliedsstaaten ihre internationalen Verpflichtungen zu den Menschenrechten beachten", heißt der von vielen EU-Ländern nunmehr unterstützte Satz. Auf Wunsch der US-Delegation wird dieser jedoch noch einmal von einer neuen Adhoc-Arbeitsgruppe auf "Gefahren" abgeklopft.

Ein auch online verfügbarer Artikel in der aktuellen c't 26/2012 verdeutlicht Hintergründe und Interessenlagen zur World Conference on International Telecommunications:

Eine Themenseite versammelt die Berichte von heise online zur WCIT:

(jk)