Verkehrte Welt

2011 wurden in China doppelt so viele Patente beantragt wie in Europa. Jetzt beklagen sich westliche Konzerne über eine Behinderung des Wettbewerbs.

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2011 wurden in China doppelt so viele Patente beantragt wie in Europa. Jetzt beklagen sich westliche Konzerne über eine Behinderung des Wettbewerbs.

Kein Scherz: Unter der Dachzeile „Unsinnige Innovationen“ und der Überschrift „China bremst Erfindergeist mit staatlichen Belohnungen aus“ geißelt die FAZ das Patentsystem als Wettbewerbshindernis - wohl gemerkt das chinesische Patentsystem.

Denn laut der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf (Wipo) sind China 2011 weltweit die meisten Patentanträge eingegangen: 526.000 waren es dort, während die USA 504.000, Japan 342.000 und das Europäische Patentamt 244.000 Anträge verzeichneten. Das liege, so die FAZ aber keineswegs am chinesischem Erfindergeist. Sondern an der „Nationalen Strategie für geistiges Eigentum“, die vorsieht, „von 2020 an jedes Jahr zwei Millionen Schutzrechte anzumelden“. Wenn schon Kapitalismus, dann aber richtig.

Wenn es nur um die Statistik ginge, könnte man die Sache ja auf sich beruhen lassen. Aber die chinesische Patentflut entwickelt sich mittlerweile auch zu einem Hindernis für ausländische Unternehmen. Denn auch sie müssen neue Patente nach möglichen Verletzungen eigener Rechte durchforsten und sicherstellen, dass ihre Produkte in China zulässig seien.„Es ist fast unmöglich, das aus eigener Kraft zu verfolgen, ohne in irgendeine Falle zu tappen“, zitiert die FAZ beispielsweise Hanno Wentzler, den Vorsitzenden der Geschäftsführung des deutschen Familienunternehmens Freudenberg Spezialchemie. Vermutlich werde man deshalb in der Volksrepublik einen eigenen Patentanwalt einstellen müssen. „Das treibt die Kosten hoch.“ Die Belastungen für Ausländer sind derart gestiegen, dass sich die EU-Kommission des Themas angenommen hat, berichtet die FAZ weiter. „Da muss dringend etwas passieren, wir erhalten jede Menge Beschwerden aus der Industrie“, sagt ein zuständiger Beamter in Brüssel", schreibt die FAZ.

Tja, das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Jahrzehntelang wurden die Chinesen als Klauer und Kopierer beschimpft, die geistiges Eigentum mit Füßen zu treten. Und jetzt drehen die den Spieß einfach um - erzeugen jede Menge Patente und machen den ausländischen Unternehmen damit das Leben schwer. In der IT würde man sowas wahrscheinlich eine Denial-of Service Attacke nennen.

Vielleicht führt die „nationale Offensive“ ja dazu, dass auf internationaler Ebene doch noch mal über Sinn, Unsinn und Auswüchse von Patenten nachgedacht wird. Wenn es richtig, richtig viel Geld kostet, könnten auch einige CEOs bemerken, dass Patente Innovationen öfter behindern, als sie voran zu bringen. Wer weiß, vielleicht bringen ja ausgerechnet die Chinesen mit ihrer Planübererfüllung das juristische Kartenhaus endgültig zum Einsturz? Wenn das Mao noch erlebt hätte. (wst)