Handykarten-Tauschbörse soll anonymen Mobilfunk ermöglichen

Bürgerrechtler haben ein Verfahren ausgearbeitet, um der Registrierungspflicht von Handykarten ein Schnippchen zu schlagen. Derweil hat eine Internetfirma eine weitere Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung eingelegt.

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Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat ein Verfahren ausgearbeitet, um der Registrierungspflicht auch von vorausbezahlten Handykarten ein Schnippchen zu schlagen. Der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern hat dafür eine Tauschbörse für SIM-Karten eingerichtet. Jeder Interessierte kann an eine dort angegebene Adresse eine mit mindestens zehn Euro aufgeladene und freigeschaltete Prepaid-Karte zusammen mit ihrer PIN und einem frankierten Rückumschlag schicken. Nach wenigen Tagen erhält er eine vergleichbare Smartcard fürs Handy eines anderen Nutzers zurück. Telefoniert der Teilnehmer an der Tauschbörse damit, sind beim Mobilfunkanbieter die Personalien des ursprünglichen Käufers der Karte gespeichert. Der Organisator des Wechselspiels selbst protokolliert nach eigenen Angaben keinerlei persönliche Daten der Tauschpartner. Die Registrierungspflicht von Handys wird so größtenteils ad absurdum geführt.

"Jeder hat ein Recht auf anonyme Kommunikation", begründet Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung das neue Angebot. "Es ist selbstverständlich, dass man Menschen anspricht, ohne seinen Namen zu nennen, und Briefe versenden kann, ohne einen Absender anzugeben." Mit der Tauschbörse sollte es Handy-Nutzern nun auch wieder offenstehen, etwa unbesorgt vertrauliche Beratung in Anspruch zu nehmen, Journalisten zu informieren oder sich staatskritisch zu engagieren.

Dem Arbeitskreis zufolge schützt die Verwendung getauschter Handykarten vor Missbrauch der eigenen Daten, vor Datenpannen und vor der "ausufernden Neugier des Staates": Laut Bundesnetzagentur riefen Behörden 2006 über drei Millionen Mal Kundendaten bei den Telekommunikationsanbieter ab. Polizei, Zollfahndung, Geheimdienste oder Finanzdienstleistungsaufsicht hätten sogar einen Online-Zugriff auf Name, Anschrift und Geburtsdatum der Rufnummerninhaber. Gegen die Identifizierungspflicht und die Datenabfrage haben Internetfirmen bereits 2005 eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, die Breyer initiierte. Laut der Bundesregierung hat sich der Zugriff auf die persönlichen Informationen dagegen zu einem unverzichtbaren Ermittlungsinstrument entwickelt.

Der Arbeitskreis hebt hervor, dass der Tausch von Handykarten "vollkommen legal ist". Zu beachten sei aber, dass man einen Vertrag mit einem Telekommunikationsunternehmen geschlossen habe, der nach Weitergabe der Handykarte fortbestehe. Da es sich um eine Guthabenkarte handele, würden daraus im Normalfall zwar keine Verpflichtungen entstehen. Es sei aber nicht auszuschließen, dass mit der Smartcard Missbrauch getrieben werde. Dies könne im Extremfall dazu führen, dass ein Teilnehmer in den Verdacht einer Straftat komme. Dieses Risiko bestehe allerdings bei jedem Verkauf eines Handys oder anderer Güter und dürfte daher "recht gering sein".

Die Bürgerrechtler verheimlichen auch nicht, dass eine Identifizierung eines Nutzers noch über die im Rahmen der neu eingeführten Pflicht zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten erfolgen könnte. Dabei müssen etwa auch die Gerätenummern eines Mobiltelefons erfasst werden.

Rund 30.000 Menschen haben auf Initiative des Arbeitskreises bereits einem Berliner Anwalt Vollmachten ausgestellt, um auch gegen die Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung nebst der Vorratsdatenspeicherung Klage in Karlsruhe zu erheben. Separat hat nach eigenen Angaben inzwischen auch die Berliner Internetfirma Bonjour Service Verfassungsbeschwerde eingereicht. Der Anbieter eines Weck- und Grußdienstes bietet die 13-seitige Klageschrift (PDF-Datei) auch seinen Kunden und anderen Nutzern zur freien Verwendung an. Prinzipiell kann sich vor dem Bundesverfassungsgericht jeder selbst vertreten, auch wenn Experten eine anwaltliche Vertretung empfehlen. Eine Verfassungsbeschwerde kostet keine Gerichtsgebühren.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (anw)