Red oder Blue Cloud

Das allgegenwärtige SaaS-Geschäftsmodell wird sich künftig in unterschiedlichen Ausprägungen weiterentwickeln. Heute ist es sinnvoll zwei Varianten voneinander abzugrenzen. Dabei zahlen die Konzepte der Red Cloud auf das delivery-orientierte SaaS 2.0 und die der Blue Cloud auf das wachstumsorientierte SaaS 3.0 ein.

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Von
  • Georg Schnurer

Das allgegenwärtige SaaS-Geschäftsmodell wird sich künftig in unterschiedlichen Ausprägungen weiterentwickeln. Dabei werden für den SW Anbieter die Abhängigkeit vom Vermarktungsmodell und Grad der technologischen Fertigungstiefe der jeweiligen cloudbasierten Anwendungssoftware sehr entscheidend sein. Heute ist es sinnvoll zwei Varianten voneinander abzugrenzen. Dabei zahlen die Konzepte der Red Cloud auf das delivery-orientierte SaaS 2.0 und die der Blue Cloud auf das wachstumsorientierte SaaS 3.0 ein.

SaaS 2.0 oder Red Cloud

Bei SaaS 2.0 wird die Anwendungssoftware des traditionellen ISVs mit einer multimandantenfähigen Basis-Infrastruktur as a Service (IaaS) gebündelt, die selbst oft von einem regionalen IT-Provider hoch virtualisiert bereitgestellt wird. So entsteht eine paketierte Software-Leistung als Service, die der IT-Provider über seinen Marktplatz den Zielgruppen der jeweiligen fachlichen Lösung anbietet. Bei diesem Ansatz dient das SaaS-Geschäftsmodell primär als Delivery-Konzept, wobei der Migrationsgedanke auf eine kostengünstigere Infrastrukturbasis als Service im Vordergrund steht.

(Bild: Sondermann)

Karin Sondermann unterstützt seit 2012 als Beraterin Unternehmen, IT-Anbieter und Anwenderunternehmen in der erfolgreichen Umsetzung cloudbasierter Geschäftsmodelle (SaaS) und ist Mitglied des Advisory Board im Cloud Counsel.
Frau Sondermann hat seit 2003 zu SOA/BPM und SaaS/Cloud Computing diverse Fachbeiträge publiziert. Sie ist Co-Autorin des in 2011 erschienenen Buches „Cloud Computing - Neue Optionen für Unternehmen“. Parallel begleitete sie Management Positionen bei Software Herstellern wie Nemetschek AG, Microsoft, Bea Systems, PeopleSoft.

Das Ziel ist es, die Einstiegshürden für den Anwender zu senken. Bei monolithischen isolierten Lösungsangeboten ist solch ein Red Cloud-Ansatz gut anwendbar, wobei die Geschäftslösung des traditionellen ISVs einige Voraussetzungen erfüllen muss, etwa Webfähigkeit und 3-Tier-Architektur. Auch benötigt der ISV möglicherweise zusätzliche IT-Management-Ressourcen und Know-how. Diese für den Anwender kostengünstigeren SaaS 2.0-Angebote richten sich oftmals an die bekannten Zielgruppen in eventuell bereits gesättigten Märkten. Dagegen neue Zielgruppen oder Wachstumsmärkte lassen sich mit diesem Ansatz auf Dauer kaum oder nur sehr schwer für den ISV erschließen.

Vor- und Nachteile von Red Cloud

Aus ISV-Sicht hat der Red Cloud-Ansatz folgende Vorteile: es ist ein schneller, kurzfristiger Approach, es sind keine oder nur geringe Investitionen nötig und die Marketingaktivitäten übernimmt der Megavendor der Basis-Infrastruktur, so das Versprechen. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: der ISV hat keine Ownership über Kunden, Marketing und Assets, das Revenue Sharing Model sieht oftmals keine direkte Margen für den ISV vor, es gibt eine starre Bindung mit sehr geringen Einflussmöglichkeiten. Der ISV sollte rechtzeitig beachten, wie bei Vertragsende die Datenübergabe, Kosten und Fristen aussehen.

Aus Anwendersicht ist das Preismodell Pay-per-user, das den Red Cloud-Ansatz prägt, zwar relativ starr und intransparent, es sorgt aber für abgesenkte Einstiegshürden. Das Sourcing gestaltet sich aus Nutzersicht denkbar einfach: SaaS 2.0 läuft als geschlossene Business-Lösung auf dedizierten Ressourcen, die Daten liegen möglicherweise auf dedizierten Systemen und der Anwender braucht keine eigenen IT-Investitionen und nur geringes Software-Management. Der Innovationsgrad ist für den Nutzer bei Red Cloud allerdings nur gering bis mittelhoch. Über Browser und zusätzliche mobile Web Apps sind für die Anwender flexible Zugriffe von verschiedenen Endgeräten von überall her möglich. Der Anwendernutzen der Lösung wird von den Fähigkeiten und Eigenschaften der Business-Lösung selbst bestimmt und hängt zudem von den Leistungen des vom IT-Provider betriebenen Marktplatzes ab.

(Bild: Sondermann)

SaaS 3.0 oder Blue Cloud

Die zweite gegenwärtig relevante Ausprägung des modernen SaaS-Geschäftsmodells ist SaaS 3.0 oder Blue Cloud. Blue Cloud ist der aus Software Hersteller-Sicht noch etwas ambitioniertere Ansatz. Denn hier ist die eigentliche Anwendungssoftware selbst im Kern bereits modular serviceorientiert und multimandantenfähig angelegt und weist einen höheren Grad der Abstraktion auf. Blue Cloud basiert auf standardisierten serviceorientieren Frameworks einer Cloud IT Platform as a Service (PaaS) und abstrahiert so völlig von der unterliegenden Basis-Infrastruktur. Bei diesem Blue Cloud-Ansatz betrachtet der Software Hersteller das SaaS-Geschäftsmodell primär aus dem Wachstums- und Innovationsgedanken heraus.
Durch neue kreative, lose gekoppelte Anwendungsservices mittels innovativer webbasierter Benutzeroberflächen bereitgestellt auf einer Cloud IT-PaaS erschließen sich traditionelle ISVs neben zahlreichen neuen Startups schnell neue Zielgruppen als auch globale Märkte und gewinnen so höhere Wettbewerbsfähigkeit. Der traditionelle ISV kann dadurch sein bisheriges Angebotsportfolio erweitern – das Unternehmen selbst stellt sich als cloudbasierter Lösungsprovider über das Internet auf und schafft die Voraussetzung, sich vom traditionellen ISV zum unabhängigen Cloud Services Hersteller, zum ICSV, weiterzuentwickeln.

Vor- und Nachteile von Blue Cloud

Natürlich bringt auch der Blue Cloud-Ansatz dem zum ICSV transformierten Software Hersteller oder neuen Startups spezifische Vor- und Nachteile. Mit Blue Cloud lassen sich schnell neue Märkte und Zielgruppen erschließen, wobei diese Software Services Lieferanten ihren eigenen Marktauftritt und Go-to Market selbst bestimmen. Anders als beim Red Cloud-Ansatz behalten sie so die Ownership über Kunden, Marketing und Assets. Diese Software Services Hersteller verfügen über eigene Agilität bei Preismodellen und im Research & Development, inklusive webbasiertem Deployment.

Die ICSVs generieren Umsätze und Werte durch globale Skalierung über das Internet, bei besseren Margen als beim Red Cloud-Modell. All dies gilt es gegenüber den folgenden Nachteilen abzuwägen: Der ICSV richtet sich mittel- bis langfristig aus, ein Zeitrahmen von 12 bis 24 Monaten ist realistisch, für Blue Cloud sind Investitionen und ein Business-Plan notwendig, und der angehende ICSV benötigt qualifiziertes Know-how welches derzeit im Markt noch wenig verfügbar ist.

Für den Anwender gestalten sich die beiden typischen Blue Cloud-Preismodelle Pay per Usage oder Pay per Units fair, offen und transparent – und sie eröffnen ihm besondere Agilität. In Sachen Sourcing stellt sich die SaaS 3.0-Lösung dem Anwender als offene, modulare, serviceorientierte, multitenant-fähige Cloud App dar, die auf Shared Resources-Basis im Cloud-Paradigma designt ist. Die Daten werden in einer eigenen sicheren Umgebung gehalten, die immer State of the Art-Ansprüchen genügt. Der Nutzer braucht keine eigenen IT-Investitionen und kommt ohne jedes Software- oder IT-Management aus.

Der Innovationsgrad von Blue Cloud-Angeboten ist besonders hoch: es handelt sich um Business Cloud Apps basierend auf dem Gedanken der Cloud, Mobile, Social und Data Analytics (CMSA) Lösungsarchitektur mit standardisierter Integration, wobei die Serviceorientierung und Modularisierung fester Bestandteil der Business CloudApp-DNA sind. Der Anwender gewinnt durch eine Blue Cloud-Applikation absolute Wahlfreiheit, Offenheit und Agilität – die vielbeschworene Power of Choice. Dabei bieten Business CloudApps durch neue zeit- und ortsunabhängige Bereitstellung von Computing-Fähigkeiten in Gestalt eines Online-Service Anwendern völlig neue Möglichkeiten – wie rollenbasierte sichere Anbindungen, Wertgenerierung über das Internet und vieles mehr. Moderne Geschäftslösungen und Arbeitsweisen sind unabhängig von Ort, Zeit und Endgerät, erst sie ermöglichen die grenzenlos agierende Geschäftswelt in Echtzeit.

Koexistenz von Red Cloud und Blue Cloud

Es wäre falsch, wollte man Red Cloud- und Blue Cloud-Lösungsansätze als miteinander konkurrierend betrachten. Vielmehr sind sie beide in der Lage, spezifischen ISV-Unternehmensstrategien zu dienen. Die zentrale Frage ist, ob die Strategie auf die Verteidigung der existierenden Märkte abzielt oder ob es um Wachstum in ganz neuen Märkten geht. Für traditionelle ISVs bietet sich oft eine hybride Unternehmensstrategie an, die aus beidem besteht: aus Red Cloud- und Blue Cloud-Lösungsangeboten für den Kunden. Startups dagegen werden bei ihrer Software-Entwicklung gleich auf Blue Cloud-Lösungen setzen. Startups bringen keine Altlasten und geerbte Systeme mit, sie sind durch eine Blue Cloud-Strategie schneller in der Lage, ihre Wettbewerbsvorteile in der Economy of Scale zu erzielen. Für viele traditionelle ISVs wird es keine triviale Aufgabe sein, die Systeme aus der Vergangenheit zu überwinden und gleichzeitig die Organisation an eine Welt anzupassen, die durch personalisierte Erfahrungen der Verbraucher und durch die Nutzung partnerschaftlicher Ökosysteme bestimmt ist.

Red und Blue Cloud Services stellen das Ying und Yang der verschiedenen Anwendungskomponenten dar, die sich auf dem Markt in den verschiedenen Clouds etablieren werden. Schließlich wird jedes Anwenderunternehmen die für sich geeignetsten Geschäftsprozesse in hybriden Szenarien bedarfsgerecht kombinieren und abrechnen wollen. Eines ist sicher: letzten Endes zählen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. Für Software Hersteller gilt es, die ständig steigenden Anforderungen der Kunden und Verbraucher schnell und innovativ zu erfüllen, mit flexiblen und kostengünstigen Angeboten, die aus unternehmerischer Sicht das Fundament für weiteres, stetiges Wachstum bilden. So mancher Software Hersteller wird sich dabei zum Independent Cloud Services Vendor wandeln – auf Rot folgt Blau. (Karin Sondermann) / (gs)

Zur Artikelserie "Geld verdienen mit der Cloud" gehören:

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