Bundesrat für umfassendere Volkszählung und gegen Open Access

Die Länder haben sich für eine Ausweitung des registergestützten Zensus in 2011 sowie ­ zum Bedauern von Forschern ­ für Zurückhaltung gegenüber freien Publikationsmodellen in der Wissenschaft ausgesprochen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 84 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Bundesrat hat sich in seiner heutigen Plenarsitzung für eine Ausweitung des registergestützten Zensus im Jahr 2011 sowie für Zurückhaltung gegenüber freien Publikationsmodellen in der Wissenschaft ausgesprochen. Die Länderchefs segneten in beiden Fällen die entsprechenden Empfehlungen aus den Ausschüssen des Gremiums unverändert ab. Proteste hatte es vorab vor allem gegen die sich abzeichnende skeptische Haltung der Länderkammer gegenüber "Open Access"-Veröffentlichungen gegeben. Das Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" hatte den Bundesrat am gestrigen Donnerstag noch aufgefordert, weiterhin die wissenschaftliche Informationsversorgung als öffentliche Aufgabe anzusehen und nicht der Verlagswirtschaft zu überlassen. Gemäß dem Open-Access-Prinzip solle die Nutzung wissenschaftlichen Wissens für alle frei beziehungsweise kostenlos sein.

Die Länderchefs betonen in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der EU-Kommission über wissenschaftliche Informationen im Digitalzeitalter dagegen, dass dieser Ansatz "in einem Spannungsfeld mit dem Schutz des geistigen Eigentums" stehe und die Verwertungsrechte der Verlage gefährden könne. Die traditionellen Publikationsinstanzen hätten eine zentrale Rolle im wissenschaftlichen Informationssystem. Sie stünden dabei in ständigem Wettbewerb um Autoren und Leser, was letztlich die hohe Qualität der wissenschaftlichen Veröffentlichungen sicherstelle. Open Access könne so allein einen "ergänzenden Weg der Wissensvermittlung" bei Forschungsergebnissen darstellen. Die von der Kommission in Aussicht gestellte Ko-Finanzierung von Forschungsinfrastrukturen werfe auch die Frage auf, "inwieweit die wissenschaftliche Informationsversorgung eine öffentliche Aufgabe ist".

Das Aktionsbündnis hatte die Länderpolitiker darauf hingewiesen, dass sich die freie Nutzung wissenschaftlichen Wissens nicht mit dem Urheberrecht beiße. Nur die Übertragung der Rechte an die private Verwertung solle eingeschränkt werden. Auch sei die Annahme falsch, dass die Qualitätssicherung wissenschaftlicher Publikationen überwiegend von Verlagen wahrgenommen werde. Wissenschaftliche Kreativität und Motivation hänge in der Wissenschaft auch nicht von der materiellen Entlohnung ab. Die Autoren bekämen in der Regel ohnehin keine Honorare für die entscheidenden Zeitschriftenartikel. Generell liege ihnen vor allem an einer möglichst hohen Verbreitung ihrer Werke.

"Open Access ist nicht zum Nulltarif zu haben", hatten die Wissenschaftler festgehalten. "Jedoch sind die jetzigen Aufwendungen, die vor allem für die internationalen Zeitschriftenverlage erbracht werden müssen, von den Ländern nicht mehr zu tragen." Zudem sei der volkswirtschaftliche Nutzen bei freier Nutzung wissenschaftlichen Wissens in jedem Fall weitaus höher als die durch Open-Access-Produkte entstehenden Kosten. Die deutsche Verlagswirtschaft profitiert auch "von den sehr großen Gewinnen der internationalen Zeitschriftenverlage kaum".

Bei der für 2011 geplanten registergestützten Volkszählung setzt sich der Bundesrat gemäß dem Anraten seiner Fachgremien für einen stärkeren Datenabgleich im Behördenbereich ein. Zur organisatorischen Vorbereitung des Zensus durch die statistischen Ämter des Bundes und der Länder ist von der Bundesregierung bis 2008 der Aufbau eines umfassenden Anschriften- und Gebäuderegisters vorgesehen. Dieses soll unter anderem zur Koordinierung, Zusammenführung und Überprüfung der übermittelten Daten und als Grundlage für eine kleinräumige Auswertung der Ergebnisse herangezogen werden. Ziel ist es, über die Zusammenführung der abgefragten Informationen flächendeckend die Vollzähligkeit des Anschriften- und Gebäuderegisters zu erreichen.

Laut der Länder sollen nun zur Qualitätssicherung Unstimmigkeiten bei den übermittelten Daten auch anhand von Einzelprüfungen durch die Meldebehörden geklärt werden dürfen. Wenn die Daten der Vermessungsbehörde und der Bundesagentur für Arbeit den Daten der Meldebehörde – auch nach nochmaliger Überprüfung anhand des in einer Meldestelle vorhandenen Datenbestandes – widersprächen, müsse ein solcher Fall konkret aufgeklärt werden. Beim Aufbau des Grundregisters soll ferner eine weitere Übermittlung der Daten der Bundesarbeitsagentur kurz vor dem Ende der Informationserhebung möglich sein. Der Bundesrat plädiert ferner für eine Regelung, wonach "die Offenbarung von Verhältnissen", die vom Steuergeheimnis umfasst sind, für die Vorbereitung und Durchführung des Zensus ausdrücklich zugelassen sein soll. Dies soll auch dann gelten, wenn die Informationen über entsprechende Beziehungen vor der Übermittlung anonymisiert wurden. Bei Datenschützern gibt es Befürchtungen, dass die registergestützte Volkszählung so zu einer Art "Rasterfahndung auf Vorrat" ausgebaut werden könnte. (Stefan Krempl) / (anw)