Alles unter Kontrolle

Der Arbeitsplatz der Zukunft ist voll vernetzt – und wird automatisch überwacht.

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Der Arbeitsplatz der Zukunft ist voll vernetzt – und wird automatisch überwacht.

Bisher habe ich immer gedacht, Technik ist Fortschritt und Fortschritt ist gut. Muss daran liegen, dass ich ein fauler Mensch bin. Faule Menschen denken gerne darüber nach, wie sie Arbeit vermeiden können. Und so kommen Innovationen zustande.

Habe ich jedenfalls bisher gedacht. An Tagen wie diesem jedoch kommen mir Zweifel. Der erste Tag nach dem Jahreswechsel, den ich ich wieder am Schreibtisch verbringe: E-Mail aufräumen, Artikel sichten, den Status laufender Geschichten prüfen und schauen, was in den vergangenen zwei Wochen so passiert ist. Dabei stoße ich auf einen Artikel aus der FAZ, die über den Boom bei der Clickworker-Vermittlungsplattform Elance berichtet.

„Clickworker sind Menschen, die einfache Arbeiten am Computer gegen - meist recht wenig - Geld erledigen. Laut Wikipedia stammt der Begriff ursprünglich von der NASA, die 2000 erstmals Freiwillige per Internet eingespannt hat, um Krater auf Bildern der Marsoberfläche zu klassifizieren.

Mittlerweile gibt es diverse Online-Plattformen, die Clickworkern Jobs vermitteln. Ein Job kann beispielsweise darin bestehen, sich 500 oder 1000 Webseiten anzusehen, und ein Häkchen zu setzen, wenn eine Seite pornografische Inhalte veröffentlicht. Oft geht es aber auch darum „Beschreibungen“ von Hotels, Städten oder Software (so wie hier) zu verfassen. Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

Wie auch immer, der Umsatz von Elance Inc. ist 2012 um 26 Prozent höher ausgefallen als noch 2011. Wahrscheinlich eine Folge der Krise in Südeuropa, denn dort suchen immer mehr junge, gut ausgebildete Leute nach festen Stellen, die es nicht mehr gibt.

Das Alleinstellungsmerkmal von Elance fand ich jedoch besonders apart: workview ist eine Software, die in festen Zeitabständen Screenshots auf dem Rechner des Clickworkers macht, und die an den Auftraggeber schickt. Der Clickworker kann, falls eine Bezahlung nach Arbeitsstunden und nicht nach Ergebnis vereinbart ist, seinen Arbeitsfortschritt so dokumentieren.

Natürlich kann man die Funktion auch ausschalten - und es gibt eine gewisse Karenzzeit zwischen der Erstellung des Screenshots, und dem Versenden der Daten. So dass man Bilder von anderen Projekten, an denen man vielleicht zwischendurch gearbeitet hat, oder den Screenshot von der E-Mail an die Freundin noch rechtzeitig löschen kann. Dann allerdings kann es passieren, dass dem Clickworker „ein Teil des Honorars entgeht“, schreibt die FAZ. Ganz so krass geht es bei anderen Plattformen anscheinend nicht zur Sache. Aber auch clickworker.com beispielsweise schreibt in seiner FAQ von „Zeitlimits“ für Aufträge.

Tja, sieht ganz so aus, als sei das die Kehrseite der grenzenlosen Möglichkeiten des Mitmach-Netzes. Statt der „Macht der Masse“ ist die Crowd an dieser Stelle zur intellektuellen Legebatterie der globalisierten Wissensgesellschaft geworden: Hunderttausende von eifrigen Tastendrückern, jeder für sich alleine vor dem Bildschirm, leistungsoptimiert und jederzeit von Software überwacht. Toll, was vernetzte Informationsverarbeitung so möglich macht.

Man mag sich damit trösten, dass intellektuell anspruchsvollere Arbeiten bisher noch anders vermittelt - und bezahlt - werden. Aber auch das könnte sich schon bald ändern. Vor einiger Zeit habe ich berichtet, dass Microsoft daran forscht, wie sich die Zusammenarbeit in der Crowd so optimieren lässt, dass ein adhoc zusammengesetztes Online-Team auch auf kreative und anspruchsvolle Aufgaben lösen kann. Die Idee dabei: Ein Computersystem wählt vollautomatisch, wer mit wem an welchen Aufgaben zusammenarbeiten sollte, wer welche Teilaufgaben bekommt, wer welche Informationen hat und wie die Qualität des Ergebnisses gesichert wird. Die Zukunft hat also gerade erst begonnen. (wst)