Cheating-Vorwurf in Counter-Strike-Liga wird vor Gericht verhandelt

Das Mitglied eines in der Electronic Sports League (ESL) aktiven Counter-Strike-Teams ist vom Betreiber wegen angeblicher Aimbot- und Wallhack-Nutzung für zwei Jahre gesperrt worden. Das Team wehrt sich nun mit juristischen Mitteln gegen die Sperre.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 511 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter-Michael Ziegler

Im elektronischen Sport geht es zu wie im richtigen Leben: Neben unzähligen ehrlichen Teilnehmern gibt es auch immer wieder schwarze Schafe, die versuchen, Leistungen und Ergebnisse unter Zuhilfenahme unerlaubter Mittel zu verbessern. Was der Radsport als Blutdoping kennt und im Fußball schon mal als "die Hand Gottes" bezeichnet wird, ist bei den E-Sportlern der sogenannte Cheat. Wer etwa die Spielgrafik auf einem Client-Rechner so manipuliert, dass er in einem taktischen Shooter durch Wände oder Hindernisse hindurch sehen kann (Wallhack), knallt deutlich mehr Gegner ab als die Konkurrenz.

Beliebt sind auch als Makros eingespielte Aimbots, die es ermöglichen, den Mauszeiger automatisch auf ein sich eröffnendes Ziel zu setzen und Schüsse abzufeuern. Galt im Wilden Westen noch das Duell-Motto "Wer schneller zieht, schießt früher", hätte selbst der tollste Revolverheld heute keine Chance mehr gegen einen Aimbot. Denn dieser schießt bereits bevor es zu einem Duell kommt. Selbstverständlich sind solche Tricksereien längst bekannt und werden von den Betreibern der immer beliebter werdenden Wettkampf-Ligen für Computerspieler auch nicht toleriert. Betrügt ein Spieler dennoch, wird er vom Spielbetrieb ausgeschlossen.

Dies musste Anfang Dezember auch ein Mitglied des Counter-Strike-Teams "coldgame EAS" erfahren, das an der von der Kölner Firma Turtle Entertainment betriebenen Electronic Sports League (ESL) teilnimmt und vor dem Aufstieg in die ESL Pro Series (EPS), der E-Sports-Bundesliga und nationalen Königsklasse stand. Turtle Entertainment wirft dem Spieler "XektoR" von coldgame vor, im Spiel gegen "QPool CounterStrike" am 22. November 2007 einen Aimbot sowie einen Wallhack/ESP genutzt zu haben und sperrte den 17-Jährigen wegen Cheating für zwei Jahre. Doch die Beweislage ist schwierig.

Denn die Betrugsvorwürfe basieren nicht auf den Auswertungen des offiziellen Anti-Cheat-Tools "Aequitas" der Electronic Sports League, sondern auf der Bewertung einzelner Spielszenen (sogenannten Demos) durch ESL-Administratoren. Über das ESL-Tool Aequitas lassen sich bei jedem Start von Counter Strike spielrelevante Konfigurationsdateien auslesen und mit Prüfsummen vergleichen. Aequitas erstellt zudem in unregelmäßigen Abständen Screenshots von den Client-Bildschirmen, über die dann eventuelle Cheats wie Wallhacks nachgewiesen werden könnten. Die ESL beruft sich jedoch darauf, dass die fraglichen Szenen aussagekräftig genug seien.

Das coldgame-Team wiederum interpretiert die Spielszenen ganz anders (genaue Teamabsprachen, gute Taktik, Gegner war vorher schon zu sehen) und schaltete den Deutschen eSport-Bund (E-SB) ein, nachdem Proteste bei der ESL ohne Erfolg blieben. Beim E-SB wurde dem Team der Kontakt zu einem Rechtsanwalt vermittelt, der beim Amtsgericht Köln Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gegen die Zweijahressperre von "XektoR" einreichte. Würde dem Antrag stattgegeben, so die Strategie der Kläger, könnte "coldgame EAS" zumindest in die EPS aufsteigen und dort bis zur endgültigen Klärung des Falles spielen. Für das Team geht es dabei auch um viel Geld: Die in der Pro Series ausgeschütteten Preisgelder liegen im sechsstelligen Bereich.

Da auch ein Schlichtungsgespräch zwischen Vertretern der Electronic Sports League und "coldgame EAS" vor dem ersten Verhandlungstag am gestrigen Donnerstag in Köln ergebnislos blieb, muss nun die Justiz darüber entscheiden, ob die Interpretation von Spielszenen in einem Computerspiel ausreicht, um lange Sperren wegen angeblichen Cheatens auszusprechen. Ob die Richter ohne Weiteres in der Lage sein werden, der Logik von Aussagen wie "Aimbot-Einsatz bei zwei Headshot-Kills in der Pistol-Round, weil weiter auf die Hitbox geschossen wurde", zu folgen, ist allerdings fraglich.

Für die ESL würde eine Niederlage in dem Verfahren unterdessen weit reichende Konsequenzen haben. Denn dies gäbe nicht nur anderen Spielern, die ebenfalls auf der Grundlage von Demo-Sichtungen wegen Cheatens gesperrt wurden, Anlass, den juristischen Weg einzuschlagen – vorbei wäre es auch mit der häufig kritisierten Sperrpolitik nach Gutsherrenart. Dem sogenannten Anti-Cheat-Team von ESL wurden in der Vergangenheit neben Fehlentscheidungen auch gravierende Verstöße gegen die eigenen Regularien vorgeworfen. So soll gesperrten Spielern etwa das Recht auf eine zweite unabhängige Prüfung von Demos verwehrt worden sein. (pmz)