Ranghoher Polizist verteidigt österreichisches Sicherheitspolizeigesetz

Im Kampf gegen die organisierte Kriminialität liege die Polizei zurück, sagte der im Bundeskriminalamt für Computer- und Netzwerkkriminalität zuständige Polizist, Chefinspektor Ernst Österreicher.

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Die jüngste Novelle des österreichischen Sicherheitspolizeigesetzes wird in dem Land weiterhin kontrovers diskutiert. Der im Bundeskriminalamt (BKA) für Computer- und Netzwerkkriminalität zuständige Polizist, Chefinspektor Ernst Österreicher, verteidigte am Montag die neuen Rechte für die Polizei. In seinem Vortrag an der Technischen Universität Wien resümierte Österreicher, die Polizei liege im Kampf gegen die organisierte Kriminalität (OK) mit 3 : 5 zurück. Beide Seiten hätten gute Ausbildung, Hard- und Software sowie Strukturen. Die OK arbeite mit eigenen Regeln, nachrichtendienstlichen Methoden und "nahezu unbeschränkten Mitteln". Die Polizei sei hingegen an nationale und internationale Vorschriften gebunden. Zur Frage "welche Daten will die Polizei" nannte der Polizist Stamm-, Standort-, Verkehrs- und Inhaltsdaten.

Seit Jahresbeginn sind Mobilfunker verpflichtet, auf Polizeibefehl Standortdaten und die internationale Mobilfunkteilnehmerkennung (IMSI) eines Handys preiszugeben. Gleichermaßen müssen Provider Name und Anschrift von Nutzern bestimmter IP-Adressen herausgeben. Eine richterliche Kontrolle der Wünsche der Polizei gibt es nicht mehr, auch eine Information der Betroffenen ist nicht vorgesehen.

Gegner der neuen Polizeibefugnisse haben auf der Website ueberwachungsstaat.at bald 20.000 Unterschriften gesammelt und stellen dort Fragen, auf die Österreicher zwar keine direkten Antworten, wohl aber "Denkanstöße" geben wollte. Zum Einsatz von IMSI-Catchern zur Ortung vermisster Personen schickte der Beamte voraus, dass er "nicht von unserer Sondereinheit für technische Observation" sei. Aber er halte IMSI-Catcher für diesen Zweck keineswegs für ungeeignet. Sie würden überdies nur bei "gegenwärtiger Gefahr für Leben oder Gesundheit" eingesetzt, und anschließend werde der im Innenministerium angesiedelte Rechtsschutzbeauftragte informiert.

Zu der Frage, warum "die Polizei ohne richterliche Kontrolle das Recht auf Zugriff auf Daten von Internet-Usern erhalten" solle, wandte Österreicher ein, dass eine richterliche Genehmigungspflicht unmöglich sei, weil in der Regel gar kein strafbarer Tatbestand vorliege. Zur dritten Frage, warum die neuen Polizeivollmachten ohne Beratung im zuständigen Innenausschuss des Nationalrates und teilweise ohne Begutachtungsverfahren beschlossen wurden, wollte sich der Polizist mangels Zuständigkeit nicht äußern.

Aus seiner Sicht gibt es gar keine Überwachung: "Inhaltsdaten – das ist Überwachung. Die gibt es nur mit dem Richter." Ohne diesen fordere die Polizei nur in Einzelfällen Stamm-, Standort-, oder Verkehrsdaten an. Missbrauch dieser Befugnisse sei strafrechtlich relevant: "Ist es so wichtig, alle zu überwachen, dass ich mich in das Gefängnis setze?"

Zur Vorratsdatenspeicherung sagte Österreicher, diese würden bereits jetzt – illegaler Weise – von den Providern gespeichert. Die Polizei werde auch hier nur in Einzelfällen Daten abfragen. Ob auch die Musikindustrie bei Urheberrechtsverletzungen Zugriff erlangen werde, wisse er nicht: "Das muss der Richter wissen." Gleichzeitig dämpfte er die Erwartungen an die Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung: "Wenn Sie jetzt eine Garantie von mir verlangen, Osama bin Laden durch die Vorratsdatenspeicherung dingfest zu machen, kann ich die Ihnen nicht geben."

Am Wochenende hatte der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz das Formular (PDF) veröffentlicht, mit dem die Wiener Polizei ihren Mitarbeitern die Anforderung der Handy- und IP-Daten von den Netzbetreibern erleichtern will. Damit können jedoch auch Datenanforderungen gestellt werden, die rechtswidrig sind. "Das Formular ist nicht genehmigt und wird in der Form nicht bestehen werden", stellte der Chefinspektor klar. Außerdem solle hinkünftig nicht, wie vom Gesetz gedeckt, jede Polizeidienststelle abfragen dürfen, sondern nur die Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sowie das Büro für interne Angelegenheiten. Ein entsprechender Erlass sei in Ausarbeitung. "Man hat nicht nur den Nationalrat überfallen, sondern auch jene, die die Erlässe herausgeben sollen", monierte der Vortragende.

Bis ein System mit E-Mail-Verschlüsselung und -Signaturen implementiert sei, würden die Abfragen über Fax abgewickelt. Die Liste der abfrageberechtigten Faxnummern werde auf der Website der Wirtschaftskammer veröffentlicht werden. Schließlich kam Österreicher auch noch auf den Bundestrojaner zu sprechen, mit dem die Behörden unerkannt auf Computern spionieren wollen. Diesen gebe es noch nicht. "Wir prüfen erst einmal die technische Umsetzbarkeit."

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Daniel AJ Sokolov) / (anw)