Stresssensor fürs Handgelenk

Gleich zwei US-Firmen haben umschnallbare Geräte entwickelt, mit denen sich die Gefühlslage des Trägers bestimmen lässt.

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Gleich zwei US-Firmen haben umschnallbare Geräte entwickelt, mit denen sich die Gefühlslage des Trägers bestimmen lässt.

Belastungsstörungen und andere stressbedingte Erkrankungen werden mehr und mehr zum gesellschaftlichen Problem. Zwei aus dem Massachusetts Institute of Technology hervorgegangene Start-ups arbeiten deshalb an neuartigen Sensoren, die am Handgelenk getragen werden und kleinste physiologische Veränderungen detektieren, die beispielsweise vor einer Panikattacke messbar sind. Die gewonnenen Daten lassen sich in eine Software einspeisen, die lernen soll, was bestimmte psychologische Reaktionen konkret auslöst. Ein Ziel dabei ist es, selbstzerstörerisches Verhalten rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Das Gerät der Firma Neumitra heißt Bandu und erinnert zunächst an eine Uhr. Erregungszustände können damit über die Messung unbewusster Bewegungen, die Hautleitfähigkeit, Perspiration der Haut sowie die Hauttemperatur erfasst werden.

Die Bandu-Software auf dem iPhone.

(Bild: Neumitra)

Die Ergebnisse werden dann per Kurzstreckenfunk an ein Smartphone gesendet, wo sie zur späteren Analyse gespeichert werden. Der Stresssensor verfügt über einen kleinen Bildschirm und kann den Nutzer auch warnen – und ihm bei zu viel Stress beispielsweise vorschlagen, mit Meditation zu entspannen oder sich mit einem Musiktitel abzulenken.

Momentan ist der Bandu noch nicht im Handel verfügbar, sondern wird in Forschungsprojekten eingesetzt. So versuchen Wissenschaftler am Massachusetts General Hospital (MGH) mit dem Gerät, Betroffenen beim Umgang mit einer posttraumatischen Belastungsstörung oder anderen Angsterkrankungen zu helfen. Ziel dabei ist es, genau zu erfassen, welche externen Bedingungen Stressschübe auslösen, um diese dann therapeutisch anzugehen.

Der Q Sensor von Affectiva arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip.

(Bild: Affectiva)

Damit das funktioniert, müssen zunächst einmal die physiologischen Veränderungen erfasst werden, die eindeutig mit Stress einhergehen. Dazu müssen unpassende Signale ausgefiltert werden - beispielsweise, wenn ein Mensch sich nur erregt, weil gerade sein Lieblingssportteam spielt. Dabei helfen sollen selbstlernende Algorithmen, die Fehler erfassen und anschließend vermeiden können.

Darin Dougherty, Direktor der Abteilung für Neurotherapeutik am MGA meint, dass solche Geräte wie Bandu wichtige Lücken in der Diagnose schließen können. "Früher mussten die Behandelnden sich allein auf die subjektive Erinnerungen der Betroffenen verlassen, die je nach Terminlage der Sitzungen eine Woche oder sogar mehrere Wochen alt sein konnten." Ein Stresssensor erlaube es dagegen, Angstsymptome objektiv von Moment zu Moment aufzuzeichnen. "Sowohl der Arzt als auch der Patient können sie sich dann ansehen."

Auf den ersten Blick wirkt der Bandu wie eine Retro-Armbanduhr.

(Bild: Neumitra)

Robert Goldberg, Neurowissenschaftler und Gründer von Neumitra, betont, wie schwerwiegend allein in den USA die Situation ist. Dort leidet einer von drei Erwachsenen unter einer Form psychologischer Probleme - von der Hyperaktivität bis zur posttraumatischen Belastungsstörung. Mittlerweile sterben mehr Soldaten an Selbstmord als auf dem Schlachtfeld. "Mein Ziel ist es, mobile portable Technologien in den Bereich der geistigen Gesundheit zu bringen", sagt Goldberg.

Die Technik von Neumitra ähnelt der eines zweiten Start-ups auf dem Feld. Die Firma Affectiva ging ebenfalls aus dem MIT hervor und arbeitet ebenfalls im Bereich der medizinischen Forschung. Der Q genannte Sensor der Firma wird seit mehr als einem Jahr außerdem als Möglichkeit getestet, die physiologischen Veränderungen des Körpers bei Schmerzen zu untersuchen. Dies wäre bei Schmerzpatienten äußerst hilfreich, weil auch hier bislang vor allem der subjektive Eindruck des Betroffenen selbst zur Diagnose verwendet wird. Der Q-Sensor kann außerdem verwendet werden, um autistische Episoden bei Kindern vorherzusagen, denen es oft schwer fällt, ihre Gefühle zu kommunizieren.

Das Affectiva-Gerät ist derzeit nur für Forschungsprojekte gedacht - pro Stück kostet es mindestens 2000 Dollar. Der Bandu von Neumitra wird billiger werden. Im Handel könnte er zwischen 250 und 1500 Dollar kosten, je nach Analysetiefe und Funktionsumfang. Verkaufsstart könnte noch in diesem Jahr sein. (bsc)