Der 49-Cent-Button

Die Web Payments Community will eine der letzten Lücken für Webstandards füllen: Ein offenes Protokoll für Online-Zahlung, das direkt in Browser integriert wird – und Dienste wie PayPal überflüssig machen soll.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Simonite

Die Web Payments Community will eine der letzten Lücken für Webstandards füllen: Ein offenes Protokoll für Online-Zahlung, das direkt in Browser integriert wird – und Dienste wie PayPal überflüssig machen soll.

Seit Tim Berners-Lee 1990 das World Wide Web aus der Taufe hob, sind dessen technische Standards immer weiter entwickelt worden – und haben die bunte Welt der Online-Shops und sozialen Netzwerke erst möglich gemacht. Doch gibt es bis heute eine Lücke in dem Regelwerk: Es sieht keinen Weg vor, um sicher Geld zu überweisen. Stattdessen helfen wir uns mit Workarounds wie PayPal, Click and Buy oder – durchaus riskanten – Kreditkartenzahlungen am Bildschirm. Das könnte sich nun ändern: Eine mit dem World Wide Web Consortium (W3C) verbundene Gruppe plant, einen Standard für Zahlungen zu entwickeln, der direkt ins Gewebe des WWW eingebaut ist.

„Online-Einkäufe sind eine fürchterliche Prozedur, an die wir uns einfach gewöhnt haben“, sagt Manu Sporny, Gründer des Start-ups Digital Bazaar und Mitglied der Web Payments Community. „Wir arbeiten daran, Finanzdienstleistungen zu einem Kernbestandteil des Web zu machen.“

Der geplante Standard soll ebenso offen sein wie das Hypertext Transfer Protokoll (http) und Zahlungsabwickler wie PayPal ersetzen. So wie jeder mittels http Webseiten anbieten und aufrufen kann, soll das Zahlungsprotokoll den sicheren Austausch von Geld ermöglichen.

Nutzer würden nach den Plänen der Gruppe Geld in ein Webkonto laden, das sie dann beim Online-Einkauf ausgeben können. Dafür würden geringe Transaktionsgebühren anfallen. Die Gruppe hofft jedoch, dass der Wettbewerb um konkrete Anwendungen des Protokolls diese Gebühren niedrig hält.

Zur Web Payments Community gehören Vertreter von Forschungseinrichtungen und Unternehmen, etwa vom Browser-Entwickler Opera und von der russischen Suchmaschine Yandex. Die Gruppe ist zwar keine offizielle Arbeitsgruppe des W3C, ihre Empfehlungen dürften den Standardisierungsprozess dort aber entscheidend voran bringen.

Eine der wichtigsten Fragen ist, wie man so genannte Micropayments abwickelt – kleine Geldbeträge etwa für Nachrichten in Online-Medien oder für den Download von Musikdateien. Nach den bisherigen Überlegungen soll der neue Standard keinen Mindestbetrag vorsehen, so dass auch Bruchteile eines Cents überwiesen werden könnten.

Derzeit diskutiert die Gruppe verschiedene technische Ansätze. Einer davon ist der „PaySwarm“, den Digital Bazaar vorgeschlagen hat. „Es ist eine Art PayPal, aber ohne Patente und Lizenzgebühren“, sagt Sporny. Die entsprechende Software will Digital Bazaar im Februar veröffentlichen. Im PaySwarm-System würde ein „Kaufen“-Button in den Webbrowser integriert, den ein Nutzer beim Online-Kauf dann zum Bezahlen drückt – vorausgesetzt, der Händler arbeitet auch mit PaySwarm.

Dass ein Webstandard auf die Entwicklung eines einzelnen Unternehmens zurückgeht, ist nicht ungewöhnlich. Der Standard für Voice-over-IP-Anrufe aus Webseiten heraus, WebRTC, würde zum Beispiel ursprünglich von Google als quelloffene Software veröffentlicht.

Leicht wird das neue offene Zahlungsprotokoll dennoch nicht umzusetzen sein. Für PayPal gibt es keinen Grund, sich ihm anzuschließen. „Wir müssen natürlich eine kritische Masse erreichen. Woher die kommen wird, wissen wir noch nicht genau“, gibt Sporny zu. Gut wäre es, den Standard erst einmal in einer überschaubaren Web-Community einzuführen, wo er nach und nach Anhänger findet.

Die Verfechter offener Webstandards verweisen dabei gerne auf bisherige Erfolge. So hätten geschlossene Netzwerke mit eigenen Datenprotokollen wie Compuserve und AOL in den neunziger Jahren den Wettbewerb gegen offene Dienste verloren.

Hätte der Standard erst einmal eine gewisse Popularität erreicht, würden Browser-Entwickler ihn wohl in ihre Produkte übernehmen, sagt Sporny. „Wir tauschen uns kontinuierlich mit den Browser-Herstellern aus. Sie wissen, dass wir daran arbeiten.“

Für Eileen Burbidge, Investorin und Beraterin des Online-Spendensystems Flattr, gibt es ausreichend Belege, dass Mikrobezahlsysteme sinnvoll sind. Dazu würden die Crowdfunding-Plattform Kickstarter gehören, wo häufig Beiträge von nur einem Dollar geleistet werden. Das Webradio Grooveshark wiederum habe kürzlich Flattr in seinen Dienst eingebaut, damit Hörer kleine Beiträge an Bands und Musiker überweisen können.

Skeptisch ist Burbidge allerdings, ob neue Standards der Verbreitung von Micropayments helfen. Es seien weniger technische Spezifikationen, die einer Idee zum Durchbruch verhelfen. „Es hängt von den Anwendungsszenarien ab“, so Burbidge. Die bestehenden Zahlungssysteme seien schon so etabliert, dass es schwer werden dürfte, außer den üblichen Early Adopters Nutzer für offene Zahlungsprotokoll zu finden.

(nbo)