"Die größte Chance, die eine Generation je hatte"

Der U2-Sänger und Aktivist Bono ist überzeugt, dass neue Technologien dazu beitragen können, gravierende Menschheitsprobleme zu lösen. Doch ohne politischen Willen und die Massen wird das nicht reichen.

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Von
  • Brian Bergstein

Der U2-Sänger und Aktivist Bono ist überzeugt, dass Technologien von Impfstoffen bis Informationsdiensten dazu beitragen können, gravierende Menschheitsprobleme zu lösen. Doch ohne politischen Willen und das Engagement der Massen wird das nicht reichen.

Technology Review: Wir befinden uns im Jahr 2013, und Millionen von Menschen mangelt es immer noch an Nahrung oder medizinischer Versorgung. Haben Technologie-Experten zu viel versprochen?

Bono: Die Technologien, die es schon gibt, haben beeindruckende Ergebnisse gebracht. Beispiele dafür sind komplexe Aids-Medikamente mit 15 Wirkstoffen in einer Tablette, die heute schon acht Millionen Leben retten. Durch mit Insektiziden behandelte Moskitonetze wurde die Zahl der Malaria-Todesfälle in acht afrikanischen Ländern in den vergangenen drei Jahren halbiert. Impfstoffe haben im vergangenen Jahrzehnt 5,5 Millionen Kinder gerettet. Oder denken Sie an Mobiltelefone, das Internet und die Verbreitung von Informationen – eine tödliche Kombination für Diktatoren und Korruption.

Um die Wirkung von Technologie zu maximieren, braucht man allerdings auch ein Netzwerk von Initiativen und Unterstützung von Bürgern, die ihr soziales Kapital zur Verfügung stellen. Nur so lassen sich nachhaltig bedeutende Fortschritte erreichen. Es gibt keine Wunderwaffe gegen extreme Armut und Krankheiten, keine Technologie, die alles besser macht. Es braucht lebenslange Entschlossenheit und dazu Ressourcen, politischen Willen und Menschen, die danach verlangen. Technologie kann aber die nötigen Werkzeuge liefern.

Liegen nicht manche Probleme wie etwa Armut außerhalb ihrer Reichweite?

Nelson Mandela hat einmal gefordert, dass wir die „große Generation“ sein sollen, die extreme Armut besiegt. Er verwies darauf, dass wir bereits über die Technologien und Ressourcen verfügen, die für diese außerordentliche Vision nötig sind. Damit hatte er recht. Wir könnten es bis 2030 schaffen, vielleicht auch schon früher. Die digitale Revolution, die wir gerade durchleben, und die schnellen Fortschritte im Gesundheits- und Agrarbereich sind zu den wichtigsten Waffen geworden, mit denen wir auf Mandelas Aufruf reagieren können. Sie helfen Menschen dabei, selbst zurechtzukommen, sich selbst aus ihren aktuellen Umständen herauszuarbeiten.

In Afrika gibt es derzeit enorm schnelle Veränderungen. Ich denke hier zum Beispiel an Innovationen, die es Landwirten ermöglichen, mit Mobiltelefonen Preise für Saatgut abzufragen, Bankgeschäfte abzuwickeln und Geld verschicken zu können. Hinzu kommen Makro-Effekte wie der Arabische Frühling, zu dem es mithilfe von Facebook und Twitter kam. Allerdings können Menschen Technologie für gute ebenso wie für schlechte Zwecke verwenden. Seien wir ehrlich: Damit Technologie auf progressive Weise eingesetzt wird, müssen das Gesellschaftssystem und das soziale Kapital in den jeweiligen Netzwerken stark und positiv sein.

Sie waren ein Bewunderer von Steve Jobs. Hat er die Welt besser gemacht oder einfach nur schicke Computer gebaut?

Steve sagte mir, dass er liebend gern mehr Zeit mit Philanthropie verbringen und eines Tages schon noch dazu kommen würde. Er war auch hier nicht daran interessiert, halbe Sachen zu machen – das hätte offensichtlich nicht zu seiner Persönlichkeit gepasst. Apple hat durch den Verkauf von iPods [in der Spezialedition] „ProductRED“ ohne viel Aufsehen mehr als 50 Millionen Dollar zu unserem Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria beigesteuert. Sie sind der größte Spender aus der Wirtschaft. Und auch [Jobs’ Nachfolger] Tim Cook setzt sich mit Leidenschaft für die Sache ein. Die beiden haben sich trotz der Rezession in den USA einer unpopulären Notlage gewidmet – sterbenden Menschen in weit entfernten Gegenden, die keine Aids-Medikamente bezahlen können. Damit haben sie und Apple dafür gesorgt, dass das Thema im Blickpunkt blieb. (vsz)