Leistungsschutzrecht: Geballte Kritik vor Bundestagsanhörung

Mit dem Schutzrecht für Presseverlage drohten jahrelange Gerichtsauseinandersetzungen und Abmahnwellen, meint der Informationsrechtler Thomas Hoeren. Er reiht sich in die Phalanx der Kritiker ein, die vor der Anhörung im Bundestag Stellung beziehen.

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Facebook, Yahoo, hiesige Gründer und andere Vertreter der Internetwirtschaft sowie der Deutsche Anwaltsverein (DAV) haben sich vor eine Anhörung im Bundestag am Mittwoch in die Phalanx der Gegner des geplanten Leistungsschutzrechts für Presseverleger eingereiht. So kommt der Münsteraner Informationsrechtler Thomas Hoeren etwa in einem Kurzgutachten für Facebook zum Schluss, dass der umstrittene Regierungsentwurf "auch und gerade aus Sicht von Social-Media-Anbietern unausgereift und überflüssig ist".

Von der Initiative seien aufgrund "unklarer Begrifflichkeiten" nicht nur Suchmaschinen und News-Aggregatoren, sondern unter anderem auch soziale Netzwerke betroffen, betont Hoeren unter Verweis auf Regierungsangaben. Es drohten insofern jahrelange Gerichtsauseinandersetzungen und Abmahnwellen, "die die Internetszene insgesamt über längere Zeit lähmen" könnten. Ein "solch konturenloses" Schutzrecht sei auch technisch und ökonomisch nicht gerechtfertigt. Vom Parlament sei zu bedenken, dass das Vorhaben "auch die Politik selbst als Nutzer und Produzenten" sozialer Medien betreffe. Ferner stehe das bisherige Gesetzesverfahren im Widerspruch zu EU-Vorgaben.

Yahoo sieht sich als Anbieter eines großen eigenen redaktionellen Angebots und als Suchmaschinenanbieter besonders von dem Entwurf betroffen. Man fühle sich dem fairen Wettbewerb im Markt der Internetnavigatoren ebenso verpflichtet wie einem "hochwertigen und marktgerecht honorierten Journalismus" und trete daher ausdrücklich gegen den Vorstoß ein, heißt es in einer Erklärung. Dieser schade mehr als er nütze. So würden gerade kleinere Suchmaschinenanbieter getroffen; sie könnten zudem leicht Opfer einer Abmahnwelle werden.

Erstmals in der Debatte zu Wort gemeldet hat sich zudem der im Herbst 2012 gegründete Bundesverband Deutsche Startups. "Regulierungen wie das Leistungsschutzrecht für Presseverleger bremsen Innovationen am Standort Deutschland und führen zu einem Wettbewerbsnachteil insbesondere im internationalen Vergleich", befürchtet die Vereinigung. Es sei ihm schleierhaft, dass Plattformen, die Nutzer zu Inhalten bringen, für derlei Dienstleistungen noch zur Kasse gebeten werden sollen, erklärt Nico Lumma, Mitbegründer des SPD-nahen D64-Zentrums für digitalen Fortschritt, als Unterstützer der Kampagne.

Auch Alexander Görlach vom Magazin The European meint als Vertreter der Startup-Initiative, dass sich das im Raum stehende Schutzrecht negativ auf den Wirtschaftsstandort Deutschland auswirken werde. Am Wochenende hatte zuvor der Macher der Nachrichten-Suchmaschine NewsClub, Christian Kohlschütter, den bereits nach einer Klage von Verlegern weitgehend außer Betrieb genommenen Dienst aus Protest gegen die Regierungspläne endgültig dicht gemacht.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco hat derweil seine Kritik an dem Vorhaben verschärft. Oliver Süme, Politik- und Rechtsvorstand der Providerlobby, spricht von einem "hanebüchenen Geldgeschenk für die Verleger und ordnungspolitischem Irrsinn". Den Preis dafür bezahle "unsere Informationsgesellschaft". Jedes deutsche Webportal, das Suchmaschinen-Technik einbindet, werde immens geschädigt. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) kann sich ebenfalls nicht für die Regierungsinitiative erwärmen. Laut einer von ihm durchgeführten Unternehmensumfrage befürchtet knapp die Hälfte der Befragten schädliche Auswirkungen, wenn Suchmaschinen Presseerzeugnisse nicht mehr ungefragt verlinken dürfen.

Guido Brinkel, Rechtsexperte beim eco-Mitglied 1&1, hinterfragt zudem die "gern betonte 'Freiheit des Links' beim Presse-Leistungsschutz". Dabei handelt es sich ihm zufolge um eine "juristische Formalargumentation, die wenig mit der Realität zu tun hat". Die Probleme fingen schon bei deskriptiven Links an, bei denen etwa eine Artikelüberschrift Teil der im Hyperlink verwendeten Adresse ist. Hier sei eine Differenzierung zwischen einem kostenfreien Verweis und einem lizenzpflichtigen Textauszug in Form eines "Snippet" schon technisch gar nicht möglich. Insgesamt bildeten Links und Snippets in Suchmaschinen längst eine Einheit, die kaum aufgeteilt werden könne.

Der DAV zieht in einer Stellungnahme an den Bundestag das Fazit, dass die Einführung des neuen Schutzrechts "sowohl rechtlich bedenklich als auch nicht erforderlich ist". Der Entwurf sei in wesentlichen Punkten zu vage und schaffe damit "unzumutbare Auslegungsschwierigkeiten auch und gerade mit Bezug auf die anwaltliche Praxis". Die Auswirkungen der Vorschläge ließen sich zudem "durch die vergleichsweise wenigen" betroffenen Unternehmen "mit technischen Maßnahmen leicht umgehen", sodass das neue Recht in der Praxis leerzulaufen drohe.

Unterdessen moniert der Medienblogger und -journalist Stefan Niggemeier, dass zu dem parlamentarischen Expertengespräch über die "Lex Google" just kein Vertreter des Suchmaschinenriesen, dafür aber mehrere Abgesandte von Verlagen geladen seien. Der als Sachverständige berufene Rechtsanwalt Till Kreutzer spreche zwar für die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL), die Google finanziell unterstütze. Der Konzern habe Kreutzer aber "völlige redaktionelle Freiheit garantiert". Verlegerverbände hatten vergangene Woche die Kampagne "Verteidige deine Presse" gestartet und ein Gutachten des Kölner Medienrechtlers Rolf Schwartmann vorgelegt, wonach das skizzierte Leistungsschutzrecht einem drohenden Marktversagen vorbauen müsse. Der Professor darf seine Thesen am Mittwoch auch im Bundestag als Experte darlegen. (jk)