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Firmen geben Millionen Euro dafür aus, negative Schlagzeilen über sich im Internet zu unterdrücken. Eine der Großen dieser Branche, der US-Dienst Reputation.com, will nun auch in Europa Fuß fassen. Es ist ein Angriff auf das Wesen des Internets.

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Von
  • Robert Thielicke

Firmen geben Millionen Euro dafür aus, negative Schlagzeilen über sich im Internet zu unterdrücken. Eine der Großen dieser Branche, der US-Dienst Reputation.com, will nun auch in Europa Fuß fassen. Es ist ein Angriff auf das Wesen des Internets.

Die Firma aus Redwood erwarb kürzlich ihr britisches Pendant "Reputation 24/7" zu einem nicht genannten Preis. Sein Gründer und CEO Michael Fertik gab allerdings bekannt, dieses Jahr mehrere Millionen Pfund in die Erweiterung seines neuen europäischen Ablegers stecken zu wollen, um Kunden in ganz Europa bedienen zu können. Und was bedienen heißt, verrät Reputation.com in erschreckender Offenheit: „Das Abschalten oder Beerdigen jeder Webseite, jedes Online-Artikels, Blogs, Forumbeitrags oder jeder Rezension, die unsere Kunden nicht so positiv darstellt, wie sie es verdient haben.“

Ein solches Vorgehen mag gerechtfertigt sein, wenn einzelne Personen im Internet bloßgestellt werden, ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und der Straftatbestand der Verleumdung erfüllt ist. Greifen jedoch Firmen zu diesen Mitteln, ist es Zensur. Natürlich sehen sich Unternehmen auch im Internet böswilligen Unterstellungen und ungerechtfertigter Kritik gegenüber. Und natürlich erreichen diese Angriffe ein größeres Publikum als im analogen Zeitalter. Aber jeder kann prüfen, was von der Information zu halten ist. Wurde die Kritik jedoch gelöscht, kann das niemand mehr.

Es gibt keine andere Instanz, die befindet, was unterdrückt werden darf und was nicht, als das Unternehmen selbst. Die Methode ist deshalb keineswegs nur eine besonders geschickte, aber harmlose PR-Maßnahme. Sie legt die Axt an die Grundfeste des Internets: sein Wesen als öffentliches Medium. Weil immer mehr Informationen digital verfügbar sind, ist es mittlerweile für das Funktionieren einer Demokratie unerlässlich. Nicht umsonst hat kürzlich das deutsche Bundesverfassungsgericht den Zugang zum Netz in den Stand einer Lebensgrundlage erhoben. Wer sich nun daran macht, seine Inhalte zurechtzustutzen, zu beschneiden und zu unterdrücken, manipuliert die Meinungsbildung. Und wer es unsichtbar im Hintergrund tut, beerdigt die Meinungsfreiheit.

Eine Hoffnung, dass es nicht ganz so schlimm kommt, gibt es immerhin: Dass Reputation.com längst nicht so gut ist wie seine Eigenpräsentation uns glauben machen will. Wir werden es erleben. Warten wir einfach ab, wie lange dieser Blogeintrag zugänglich ist. (rot)