Telepolis-Gespräch: Die Biologisierung psychischer Störungen

Das dritte Telepolis-Gespräch setzt sich kritisch mit dem Trend auseinander, von kranken und gefährlichen Gehirnen zu sprechen. Experten diskutieren darüber im Münchner Amerika Haus.

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Von
  • Florian Rötzer

Massenhaft wird bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland und anderswo das Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) diagnostiziert. Seit 2006 ist die Zahl der Diagnosen nach einem aktuellen Bericht der Krankenkasse Barmer GEK um 42 Prozent in die Höhe geschnellt. Über 4 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis 19 Jahre sollen ADHS haben, bei den Jungen zwischen 10 und 12 sollen unter der Störung, deren Ursachen nicht klar und deren Diagnose ebenso wie ihre Behandlung umstritten ist, sollen es 12 Prozent sein. Sprunghaft ist deswegen auch die Verschreibung von Medikamenten wie Ritalin angestiegen. Die Krankenkasse warnt vor einer "ADHS-Generation" und kritisiert die Gabe von "Pillen gegen Erziehungsprobleme".

ADHS ist nur ein Beispiel dafür, dass nicht nur immer mehr Menschen an psychischen Störungen leiden sollen, sondern dass diese nach dem derzeit verbreiteten biologischen Modell der Neurowissenschaften meist auf einen Funktionsdefekt des Gehirns oder nachteiligen Genvarianten zurückgeführt werden. Das wirkt sich auf die Behandlung von und den Umgang mit psychischen Problemen aus, aber hat auch Folgen bis hinein ins Strafrecht und die Beurteilung von kriminellem Verhalten.

Die Rückführung psychischer Störungen auf die biologische Ebene ist wissenschaftlich allerdings umstritten, zudem bleibt die Frage, ob die biologische Ebene die beste zur Behandlung psychisch gestörter Menschen ist. Telepolis und die Bayerische Amerika-Akademie wollen dieses Thema während des dritten Telepolis-Gesprächs diskutieren und laden am 18. Februar zu der Veranstaltung "Kranke, gefährliche Gehirne" im Amerika Haus, München, ein.

Prof. Dr. Norbert Nedopil, Leiter der Abteilung Forensische Psychiatrie der Münchner Universitätsklinik, und Prof. Dr. Stephan Schleim vom Lehrstuhl für Neurophilosophie der Ludwig-Maximilians-Universität München informieren im Telepolis-Gespräch über neuere Forschungsergebnisse zu "kranken" beziehungsweise "gefährlichen" Gehirnen und deren Bedeutung für die Gesellschaft.

Das Telepolis-Gespräch wird am Montag, den 18. Februar, um 19 Uhr 30 im Foyer des Amerika Hauses, Karolinenplatz 3, 80333 München, stattfinden (U-Bahn-Ausstieg Königsplatz). Veranstalter sind Telepolis.de und die Bayerische Amerika-Akademie, organisiert wird die Veranstaltung von heise Events. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten. (fr)