Microsoft verlängert Verfügbarkeit von Windows XP

Große PC-Hersteller mit OEM-Lieferverträgen sollen Windows XP nun länger auf ihren Systemen vorinstallieren können. Microsoft möchte dies aber keineswegs als Niederlage für Vista gewertet wissen. Marktbeobachter sind da aber anderer Meinung.

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Von
  • Jürgen Kuri

Microsoft wird Windows XP auf Druck vieler Kunden nun doch länger als geplant ausliefern. PC-Hersteller wie Hewlett-Packard und Dell könnten ihre Computer bis zum 30. Juni 2008 mit XP statt mit Vista ausstatten, hieß es bei dem Softwarekonzern aus Redmond. Man habe sich auf Wunsch seiner Kunden für die Verlängerung entschieden: "Es geht darum, den Leuten mehr Flexibilität zu geben", begründete Microsoft-Manager Shanen Boettcher. Mit der Verlängerung hätten die Kunden jetzt 18 Monate Zeit für eine Umstellung auf den Windows-XP-Nachfolger Vista.

Noch Anfang der Woche wollte der weltgrößte Softwarekonzern wie ursprünglich geplant das Geschäft mit XP im kommenden Januar einstellen. Dem Termin 31. Januar 2008 als Ende der Verfügbarkeit von XP-OEM-Versionen für die großen PC-Hersteller, die ihre Systeme mit vorinstalliertem Windows ausliefern wollen, wären wohl auch alle großen Hersteller gefolgt: Mit ihnen hat Microsoft Lieferverträge, die sehr große Rabatte einräumen. Ein Jahr nach diesem Termin sollen auch die Lieferung von Systembuilder-Versionen an jene kleineren PC-Hersteller enden, die keine eigenen Verträge mit Microsoft haben. In Schwellenländern will Microsoft die "Starter Edition" von Windows XP aber nun sogar noch bis Mitte 2010 anbieten.

Microsoft erlaubte es aber bereits seit eingier Zeit großen Herstellern, XP als Downgrade-Option für Vista anzubieten: PC-Lieferanten wie Fujitsu-Siemens, HP und Dell legten ihren Vista-Rechnern vielfach bereits eine DVD mit XP zum Downgrade bei, da nach wie vor eine große Nachfrage nach dem älteren Betriebssystem besteht. "Vor allem kleinere Unternehmen benötigen zusätzliche Zeit, um ihre Anwendungen auf das neue Betriebssystem anzupassen", sagte Hewlett-Packard- Manager John Dayan laut dpa. Wenn eine Firma nicht über das nötige technische Personal verfüge, sei ein Umstieg deutlich komplizierter.

Mit Vista hatte Microsoft nach vielfachen Verzögerungen Anfang des Jahres nach mehr als fünf Jahren einen Nachfolger für Windows XP veröffentlicht. Die Computer- Industrie hatte sich von der neuen Software eine deutliche Belebung des Geschäfts erhofft, wurde aber enttäuscht. Noch nie zuvor in der Geschichte der PC-Branche habe eine neue Windows-Version den Absatz von Computern derart wenig angekurbelt wie Vista, meinte etwa der Chef des taiwanischen PC-Herstellers Acer; das werde sich auch im zweiten Halbjahr nicht ändern.

Während manche Branchenbeobachter die anhaltende Nachfrage nach XP als Niederlage für Vista werten, möchte Microsoft die Verlängerung der Verfügbarkeit von Windows XP natürlich ganz anders verstanden wissen: Man sei erfreut über die positiven Reaktion von Kunden, die Vista benutzten, erklärte der fürs Windows-Produktmanagement zuständige Microsoft-Manager Mike Nash. Aber es gebe ein paar Kunden, die etwas mehr Zeit für den Umstieg auf Vista benötigten. Der Verfügbarkeitszeitraum von Windows XP habe sich immerhin schon zuvor verlängert – denn die eigentliche Microsoft-Politik, Windows-Systeme für vier Jahre nach ihrer Veröffentlichung anzubieten, habe sich angesichts der Verschiebungen bei Windows Vista eh nicht aufrechterhalten lassen. Nash betonte erneut, dass zumindest nach Ansicht Microsofts Windows Vista mit 60 Millionen verkauften Lizenzen zum Ende des vierten Microsoft-Geschäftsquartals sich zum am schnellsten verkaufenden Betriebssystem in der Geschichts des Unternehmens entwickle.

Diese Ansicht wollen aber so manche Marktbeobachter und Analysten nicht so recht teilen. So hielten etwa die Marktforscher der NPD Group fest, dass die Verkaufszahlen der Vista-Pakete im US-Einzelhandel binnen der ersten sechs Monate seit Markteinführung um fast 60 Prozent niedriger als beim Verkaufsstart von Windows XP lägen. Und Gartner sah keinen nachhaltigen Effekt von Vista auf das PC-Geschäft – obwohl der Computerabsatz im laufenden Jahr wieder anzog.

Ursprünglich hatte sich Microsoft große Ziele gesetzt und ging davon aus, Vista werde sich doppelt so schnell am Markt durchsetzen wie seinerzeit XP. CEO Steve Ballmer dämpfte aber schon Mitte Februar 2007 die Erwartungen: Der prognostizierte Umsatzbeitrag von Vista dürfe nicht überschätzt werden. Das neue Betriebssystem habe weltweit zu einem spürbaren Anstieg der Verkaufszahlen bei PCs und Notebooks beigetragen, gab sich Bill Gates dagegen kurz danach wieder zuversichtlich. Und Ballmer sprach dann Ende Juli davon, zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs von Microsoft werde Vista auf einer Milliarde PCs installiert sein. Neue Prognosen für Vista sind derzeit – auch im Rahmen der Ankündigung, Windows XP länger verfügbar zu halten – aus Redmond nicht zu hören. (jk)