Niederlande: Aus für Nedap-Wahlcomputer

Die niederländische Innenministerin will die Zulassung der Nedap-Wahlcomputer zurückziehen.

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Von
  • Richard Sietmann
Nach der Vorlage des Berichts einer unabhängigen Untersuchungskommission zur Reform des Wahlverfahrens hat die niederländische Regierung beschlossen, die Verordnungen, auf deren Grundlage die Zulassung der Nedap-Wahlcomputer erfolgte, zu überarbeiten. Als Sofort-Maßnahme will das Innenministerium die Zulassung zurückziehen. Damit dürfen in dem Nachbarland rund 8290 von den Kommunen erworbene oder geleaste Geräte nicht mehr verwendet werden.
Als Reaktion auf den Nedap-Hack Anfang Oktober 2006, sechs Wochen vor den Parlamentswahlen am 22. November, hatte das Innenministerium im Dezember 2006 eine unabhängige Expertenkommission unter der Leitung des ehemaligen Justizministers Korthals Altes eingesetzt, die sich mit der Weiterentwicklung des Wahlrechts und den Risiken der elektronischen Stimmabgabe auseinandersetzen sollte.
Ausgehend von den Grundanforderungen an demokratische Wahlen – genannt werden explizit die Freiheit, Gleichheit, Allgemeinheit, Geheimheit, Integrität, Transparenz und Verifizierbarkeit der Wahl – kommt die Kommission in ihrem jetzt an Innenministerin Anna Theodora Bijleveld-Schouten übergebenen Bericht zu dem Ergebnis, dass die gegenwärtige Generation von Wahlmaschinen diesen Anforderungen an den Wahlprozess nicht genüge. Sie empfiehlt die Beibehaltung der Papierstimmzettel, spricht sich jedoch für computergestützte Ausfüllhilfen sowie Stimmzettel-Scanner zur schnellen Auszählung aus.
Die Einschätzung der beleglos arbeitenden Nedap-Geräte teilt die Innenministerin. Bei der Entgegennahme des Berichts lobte sie die "ausgewogene und sorgfältige Analyse des gesamten Wahlprozesses" durch die Kommission. Sie kündigte jetzt eine Anpassung der Wahlverordnung und Zulassungsverfahren durch die Regierung an, dies könne aber dauern; kurzfristig werde sie die Zulassung der Nedap-Geräte zurückzuziehen. Konkret bedeutet dies 'Zurück auf Los!' und das Aus für Nedap-Wahlcomputer in ihrem Heimatland – bei den nächsten planmäßigen Wahlen, den Wahlen zum Europaparlament 2009, werden die Holländer wohl erst einmal wieder mit Papier und dem roten Bleistift wählen, erklärte die Ministerin.
Zum Thema E-Voting und elektronische Wahlmaschinen siehe auch:
  • "Eine neue Situation", E-Voting in Deutschland nach dem Wahlmaschinen-Hack , Interview mit Professor Dieter Richter von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, c't 24/06, S. 72
  • Obskure Demokratie-Maschine, Sind Wahlcomputer manipulationssicher?, c't 20/06, S. 86
  • E-Voting: Ja, aber ..., Bedenken gegen die Wahlcomputer von Nedap, c't 16/06, Seite 54
  • Naive E-Wähler, Rechtliche und technische Probleme bei Wahlcomputern in Deutschland, c't 15/06, Seite 104
  • Der Stift-Kompromiss, Das Hamburger Landeswahlamt propagiert fürs Voting den digitalen Wahlstift, c't 6/06, S. 90
  • "Der schleichende Verfall der öffentlichen Kontrolle", Der 22C3 diskutiert über Wahlen per Internet und E-Voting, c't 2/06, S. 20
  • E -Voting vs. Verfassung, Rechtliche Bedenken bei elektronischen Wahlmaschinen in Deutschland, c't 1/06, S. 80
  • Elektronische Wahlen?, Einige verfassungsrechtliche Fragen, c't 23/05, S. 228
  • Dreimal drücken – fertig?, E-Voting-Großeinsatz bei der Bundestagswahl, c't 19/05, S. 54
  • Trial and Error, Streit um technische Richtlinien für US-Wahlcomputer, c't 17/05, S. 54
  • E-Voting – ein Spiel mit dem Feuer, Elektronische Wahlsysteme bei den US-Präsidentschaftswahlen 2004, c't 23/04, S. 100
  • Verführerischer Charme ..., ... aber die Einführung allgemeiner Online-Wahlen bleibt umstritten, c't 11/01, S. 22
  • Der virtuelle Wähler, Zweifel am Urnengang mittels Internet, c't 8/01, S. 70
  • (Richard Sietmann) /