„Wir sollten die Energieversorgung nicht über die Ökonomie regeln“

Frank Farenski, Regisseur des Dokumentarfilms „Leben mit der Energiewende“, kritisiert im Gespräch mit Technology Review, dass die Diskussion über die Energiewende rein ökonomisch geführt wird. Sein Film liegt dem neuen Special Energie als DVD bei.

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Von
  • Robert Thielicke

Der Fernsehjournalist und studierte Betriebswirt Frank Farenski (46) drehte den Dokumentarfilm „Leben mit der Energiewende“. Er ist das Porträt einer Zukunft geworden, in der jeder sich selbst mit Strom versorgen kann. Der Film liegt in einer exklusiven Fassung dem neuen Technology Review Special Energie als DVD bei.

Technology Review: Ihr Film zeigt eine schöne heile Energiezukunft, in der jeder seinen Strom selbst herstellt. Glauben Sie wirklich daran?

Frank Farenski: Natürlich. Die Leute steigen doch schon jetzt aus der zentralen Energieerzeugung aus. Sie setzen sich eine Photovoltaikanlage aufs Dach und zahlen damit weniger für den Strom als ihr Energieversorger berechnet. In dem Film rechnet es ein mittelständischer Solaranlagen-Hersteller vor. Er kommt auf 15 Cent pro Kilowattstunde. Wir haben also heute schon Netzparität.

... die aber doch Augenwischerei ist. Würde der Hausbesitzer sich tatsächlich vom Netz abkoppeln, säße er nachts im Dunkeln. Er braucht also zusätzlich Stromspeicher, und die sind teuer.

Farenski: Das stimmt. Zuschauer haben ausgerechnet, dass inklusive Speicher der Preis auf 30 Cent steigen würde. Allerdings verlangen auch die Stromversorger immer mehr, inzwischen doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Die EEG-Umlage macht hierbei nur einen kleinen Teil aus, der eigentliche Grund sind steigende Brennstoffkosten. 2004 zahlte Deutschland für den Import von Öl, Erdgas und Kohle 35 Milliarden Euro. 2012 waren es bereits 95 Milliarden Euro – ohne dass wir mehr eingeführt hätten. Für die EEG-Umlage zahlen wir nur 20 Milliarden Euro und bekommen zudem etwas dafür, nämlich einen 25-prozentigen Anteil Erneuerbare. Ich habe bei vielen Menschen gedreht, die sich zu 70 Prozent, manche sogar zu über 90 Prozent mit Strom selbst versorgen. Die rechnen nicht den Preis einer Kilowattstunde nach. Sie wollen einfach energieautark sein, weil es ihnen Spaß macht.

Große Industriebetriebe können ihren zum Teil gigantischen Bedarf aber wohl kaum mit Solarzellen auf dem Dach decken. Woher sollen sie ihren Strom beziehen?

Farenski: Natürlich brauchen wir stabile Stromnetze und Kraftwerke, die gleichmäßig eine planbare Menge an Elektrizität produzieren, also Must-run-Kapazität bereitstellen. Darüber hinaus aber gibt es das Konzept der virtuellen Kraftwerke. Dezentrale Anbieter handeln mit Elektrizität, die bei ihnen gerade im Überschuss anfällt und verteilen so regional Strom. Das Karlsruher Institut für Technologie hat dazu bereits eine Software entwickelt und an einem Straßenzug ausprobiert. Da rechnet jeder mit seinem Nachbarn direkt ab. Leider verhindern gesetzliche Vorgaben den Einsatz des Programms. Es ist verboten, im lokalen Verteilernetz mit Strom zu handeln. Das geht nur im Fernleitungsnetz.

Der Radius eines lokalen Netzes ist aber doch viel zu klein. Wenn in Stuttgart Windstille herrscht, bläst 50 Kilometer weiter noch lange kein Sturm. Gerade bei einer Versorgung mit Erneuerbaren muss Strom großflächig erzeugt und über weite Strecken transportiert werden – etwa von der Nordsee nach Baden-Württemberg. Wenn aber jeder auf Selbstversorgung setzt, bezahlt keiner mehr die Leitungen.

Farenski: Würden wir die Stromversorgung dezentral organisieren, wären viele Fernleitungen unnötig. Was wir an großen Trassen darüber hinaus neu errichten und betreiben müssen, ist für mich eine öffentliche Infrastruktur-Aufgabe. Genauso wie in einigen anderen Bereichen auch sollten wir die Energieversorgung nicht über ökonomische Mechanismen regeln.

Den Stromkonzernen geben Sie in dem Film nicht die Möglichkeit, sich zu äußern. Warum?

Farenski: Ihre Position ist ja bekannt, die muss ich nicht zum x-ten Mal nacherzählen. Außerdem glaube ich, dass die wirklichen Akteure gar nicht mehr die Großen sind, sondern die Kleinunternehmer und Mittelständler. Die Situation ist vergleichbar mit der Anfangszeit des Automobils. Dessen Entwicklung ging ebenfalls nicht von Großkonzernen aus. In einem Punkt haben die Kritiker des Films allerdings recht: Ich gehe nicht auf die Kehrseite einer dezentralen Versorgung mit sauberem Strom ein. Damit sie funktioniert, müssen wir 30 bis 50 Prozent weniger Energie verbrauchen als heute.

Hatten Sie Angst, die Zuschauer zu verschrecken?

Farenski: Die Menschen wollen es nicht wirklich hören, das stimmt. Ich glaube allerdings, dass wir bei diesem Thema gar keine moralisch aufgeladene Verzichtsdiskussion führen müssen. Das Verhalten ändert sich mit steigenden Energiepreisen fast von allein.

Wie sieht es bei Ihnen aus? Wie weit ist Ihre private Energiewende?

Farenski: Ich bin Mieter. Aber dem Besitzer meines Hauses in Gütersloh habe ich vorgeschlagen, sein Dach zu mieten, um darauf eine Solaranlage zu installieren. Er war einverstanden. Dann hat er jedoch meinen Film gesehen und gesagt: Das Dach kriegst du nicht. Ich mache es selbst.

Das Interview stammt aus dem neuen Technology Review Special Energie "Leitfaden Energiewende". Auf 148 Seiten finden Leser "56 Antworten auf die wichtigsten Fragen" und eine aktualisierte, exklusive Fassung des Dokumentarfilms "Leben mit der Energiewende" auf DVD. Sie können das Heft hier bestellen. (rot)