Gentest 2.0 kommt nach Deutschland

Mit Googles Geld im Rücken kommt das Startup "23andme" nun auch nach Deutschland, mit einem Gentest für tausend Dollar im Angebot.

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Kritiker halten es für unseriös, was Lindsay Avey und Anne Wojcicki mit ihrem Startup nun auch nach Deutschland und in weitere europäische Länder bringen. 23andme heißt das von den beiden Frauen gegründete Unternehmen. Das Angebot: Ein Gentest für knapp tausend Dollar, dessen Ergebnis dann mit Web-2.0-Techniken online visualisiert und mit anderen Daten aus der Community verknüpft werden kann. Wojcickis frisch angetrauter Ehemann fand die Idee so toll, dass er ein paar Millionen in das kalifornische Startup investiert hat. Der Gatte heißt Sergey Brin, hat Google mitgegründet und kann sich das leisten.

Im November 2007 offiziell gegründet, will 23andme (die 23 bezieht sich auf die Anzahl der menschlichen Chromosomenpaare, nicht die Illuminaten) mit seiner Dienstleistung Menschen einen "Einblick in die eigenen genetischen Informationen" bieten und setzt dabei auf "modernste DNA-Analysetechnologien". Für 999 US-Dollar plus Versandkosten erhält der Kunde einen Behälter für seine Speichelprobe (im Startup-Slang "SpitKit"), die er an das Vertragslabor von 23andme schickt.

Das Labor, der US-Analysespezialist Illumina, unternimmt allerdings keine komplette Genanalyse. Die Experten untersuchen eine halbe Million sogenannte SNPs (Single Nucleotide Polymorphism). Diese Codevariationen von einzelnen Basenpaaren im DNA-Strang gelten als signifikant für menschliche Unterschiede. 23andme leitet daraus ein "detailliertes genetisches Profil" ab. Dabei stützt sich das Unternehmen auch auf eine eigens patentierte Auswahl von 30.000 SNPs, der es besondere Aussagekraft zumisst.

Diese Überzeugung teilen nicht alle Experten. "Die SNPs haben nur eine sehr begrenzte Aussagekraft", sagte Uta Francke, Genetik-Professorin an der US-Eliteuniversität Stanford und selbst Beraterin von 23andme, jüngst gegenüber dem Handelsblatt. Sehr viel genauer wäre die Aussage, wenn das komplette Erbgut ausgelesen werden könnte. Bei insgesamt drei Milliarden Basenpaaren wird das allerdings sehr teuer: 350.000 Dollar, sagt Francke. Kritik an solchen Online-Tests gibt es hierzulande auch wegen der fehlenden fachärztlichen Betreuung und Beratung.

Für tausend Dollar untersucht 23andme gerade einen Bruchteil des Erbguts und leitet daraus Aussagen über "Laktose-Unverträglichkeit, athletisches Potenzial und Ernährungsgewohnheiten" ab. Kunden können ihre genetischen Informationen auf der Website abrufen. Dort erfahren sie auch Neuigkeiten aus der Genforschung und können ihr Genom mit dem von Familienmitgliedern vergleichen – wenn diese ebenfalls teilnehmen. Wenn die ganze Familie beisammen ist, lässt sich der früh einsetzende Haupthaarverlust der männlichen Linie damit genetisch nachvollziehen. Dafür reicht allerdings auch ein Fotoalbum.

Trotzdem: Das Weltwirtschaftsforum kürte das Unternehmen, hinter dem außer Google noch die Investoren Genentech und New Enterprise Associates stehen, kurz vor dem jährlichen Treffen im schweizerischen Davos zum Technologiepionier 2008. (vbr)