Kölner Forum Medienrecht: Zwischen Fairness-Pauschale und erstarrten Lizenzen

Warum geht es nicht vorwärts beim Urheberrecht? Medienpolitiker und Medienrechtler sind in einem Netz aus widerstreitenden Interessen und Strukturen gefangen. Eine neue Kulturflatrate erscheint für einige als Ausweg aus der Misere – zum Ärger anderer.

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Von
  • Torsten Kleinz

Warum geht es nicht so richtig vorwärts beim Urheberrecht? Dieser Frage hat sich am Mittwoch das siebte Kölner Forum Medienrecht gewidmet. Im Ratssaal der Stadt zeigte sich schnell: Sowohl Medienpolitiker als auch Medienrechtler sind in einem Netz aus widerstreitenden Interessen und Strukturen gefangen. Eine neue Kulturflatrate erscheint für einige als Ausweg aus der Misere, zum Ärger der anderen Stakeholder.

"Wir brauchen eine Rückbesinnung darauf, was Werkschutz und Schutzdauer wirklich bedeuten", forderte der Medienrechtler Professor Gerald Spindler von der Universität Göttingen. Schutzfristen ständig auszuweiten sieht er als falschen Reflex auf die momentanen Probleme. So sei ein großer Teil von Werken bereits nach sechs Monaten kaum noch wirtschaftlich verwertbar – da erscheine die auf EU-Ebene beschlossene und für Deutschland geplante Ausweitung der Schutzfrist für Tonaufnahmen widersinnig. "Erfindern muten wir es auch zu, den Schutz alle fünf Jahre zu erneuern", sagte Spindler. Derzeit konzentriere sich das Urheberrecht immer mehr darauf, den Urheberprozess als Investition zu schützen, im Umkehrschluss werde das Urheberrecht als Investitionsschutz eingesetzt. Dies sei jedoch dem marktwirtschaftlichen System fremd. So könnten die Buchhändler mit der gleichen Berechtigung wie Verleger einen Investitionsschutz fordern.

Stattdessen plädierte Spindler für eine Fair-Use-Schranke für Urheberrechte ähnlich wie in den USA. Mit seiner Thumbnail-Entscheidung habe der Bundesgerichtshof ohnehin festgestellt, dass die Veröffentlichung im Internet als konkludente Einwilligung zur Verarbeitung in Bildersuchmaschinen zu verstehen sei, in weiteren Entscheidungen sei der Grundsatz ausgebaut worden. "Wir haben über Richterrecht eine Schranke geschaffen, die eigentlich im Gesetz stehen müsste", sagte Spindler.

Doch für die Bundesregierung spielen andere Punkte eine Rolle, meinte Hubert Weis, Leiter der Abteilung Handels- und Wirtschaftsrecht im Bundesjustizministerium. So wolle das Ministerium noch im März einen Gesetzentwurf zum Umgang mit verwaisten Werken im Bundeskabinett auf den Weg bringen. Die Bundesregierung kommt damit einer EU-Richtlinie nach, die im Septmeber 2012 verabschiedet wurde. Mit dem Gesetz wird beispielsweise Bibliotheken und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen ermöglicht, verwaiste Werke bereit zu stellen, deren Urheber nicht mehr ermittelt werden können. Auch das Gesetz zur Bekämpfung des Abmahnunwesens genießt Priorität.

Die EU-Kommission hingegen will weg von kleinteiligen Lösungen. So hat sie derzeit vier Runde Tische in Gang gesetzt, um zu ergründen, ob es in den Bereichen Data Mining, User generated Content, Portabilität von Daten und Data Mining gemeinsame Nenner und technische Lösungen gibt, die alle Beteiligten zufrieden stellen könnten, wie Kerstin Jorna als Vertreterin der EU-Kommission erläuterte. Statt sich auf einzelne Probleme zu konzentrieren, will die sich Kommission vor der nächsten Gesetzesinitiative ein möglichst umfassendes Bild verschaffen und so Antworten finden, die mehr als ein Problem addressieren und verschiedene Interessenlagen abwägen.

Die Kommission sieht Lizenzierungsmodelle als den am besten geeigneten Weg an, Verteilungsprobleme zwischen Urhebern, Verwertern und Kunden zu lösen. Deshalb sollen multinationale Lizenzierungen gefördert werden. Dies stößt freilich bei den Verwertungsgesellschaften auf Skepsis. So verwies Gerhard Pfennig, ehemaliger Vorstand der VG Bild-Kunst darauf, dass die Aufsichtsbehörden der Verwertungsgesellschaften in Deutschland künftig umgangen werden könnten, wenn die Geschäfte über einen anderen Staat abgewickelt würden. Es seien nur wenige Verwertungsgesellschaften im Lizenzgeschäft tätig, meist verteilten sie Einkünfte aus Leermedien- oder Geräte-Abgaben an ihrer Mitglieder.

Dass diese Verteilungsfunktion jedoch in den vergangenen Jahren nicht zufriedenstellend funktioniert, wurde von allen Beteiligten beklagt. So konnte sich die Bundesregierung zum Beispiel noch nicht zu einer dauerhaften Verlängerung der Intranet-Klausel für Bildungseinrichtungen durchringen. Der Paragraph 52a soll auch nach zwei Evaluierungen erst wieder um zwei Jahre verlängert werden. Das Problem: Obwohl die Bereitstellung von Lehrmitteln in Schulnetzen samt anschließender Vergütung nach Auffassung der Bundesregierung gut funktioniert, konnten sich die Verwertungsgesellschaften seit Jahren nicht mit den Universitäten auf einen geeigneten Tarif einigen. Solche Blockaden finden sich an vielen Stellen in Europa, wie Jorna zugestand: "Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit hier nicht gut gearbeitet". So seien viele Länder zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, wie eine angemessene Vergütung für die Urheber ermittelt und verteilt werde – für grenzüberschreitende Lizenzierungen im Binnenmarkt ein kaum zu überwindendes Hindernis.

Hier bringen die Grünen wieder ein Konzept der Kulturpauschale unter dem Namen Fairness-Pauschale ins Gespräch. "Wenn man will, dass Kreative Geld bekommen, muss man einen Pauschalansatz wählen", erklärte der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz. Nur seien die gegenseitigen Blockaden aufzulösen. Die Bundestagsfraktion hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Realisierung eines solchen Pauschalmodells untersucht. Dabei kam Professor Spindler zum Ergebnis, dass ein solches Modell prinzipiell machbar ist – dazu müsste aber die EU ihre Gesetzgebung ändern. Um zu schätzen wie hoch eine solche Pauschale sein müsse und wie sie verteilt werden könne, fehlten jedoch die empirischen Daten.

Bei anderen Parteien stößt das Konzept jedoch auf wenig Gegenliebe. So erklärte der CDU-Abgabe Ansgar Heveling, dass er keine Veranlassung sehe, das Urheberrecht auf den Kopf zu stellen. Notz beklagte den Stillstand in der Debatte. Spindler räumte ein, dass eine solcher Ansatz nur die zweitbeste Lösung sein könne – doch habe der Gesetzgeber durch immer neue Ausweitung kleinteiliger Rechte die Einigung am Markt immer schwerer gemacht.

Die EU-Kommission will unterdessen unlizenzierte Angebote bekämpfen, um die Erlöse für Kreative zu sichern. "Wir arbeiten derzeit an Maßnahmen nach dem Grundsatz: Folge dem Geld", erklärte Jorna. So sei es nicht zu begründen, dass Kreditkartenunternehmen illegale Webseiten auszahlten. Auch die Werbung auf solchen Seiten soll bekämpft werden, um Anbietern, die auf das Streaming unlizenzierter Inhalte spezialisiert sind, und Filelockern die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Dabei sei nicht unbedingt eine neue Gesetzgebung notwendig. Wie in den USA habe die EU-Kommission gute Erfahrungen mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der Zahlungsanbieter gemacht. Dieses Mittel soll nun auch auf den Werbemarkt ausgedehnt werden.

Begrüßt wurde diese Initiative von Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU). Seine Organisation hat zum Beispiel ein Verfahren gegen Werbevermarkter in Gang gesetzt, weil die mit dem geschlossenen Streaming-Portal Kino.to kooperiert hatten. Wie die EU-Kommission will Leonardy auch direkt gegen Werbetreibende vorgehen, die auf illegalen Portalen Werbung machten. Neben Porno- und Glücksspiel-Angeboten fänden sich dort viele Hinweise auf Browsergames. Dies sei kein Zufall: "Browser-Gamer sind die, die Inhalte zunächst umsonst haben wollen", sagte Leonardy. Diese Zielgruppe versuchten die Anbieter dieser Spiele über Werbung auf Streaming-Portalen gezielt zu erreichen. (anw)