Studie: MySpace erhöht nicht das Risiko sexueller Belästigung von Minderjährigen

Amerikanische Wissenschaftler widerlegen gängige Klischees zur Gefährlichkeit des Internet

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Von
  • Thomas Pany

Der sexuell motivierte Unhold, vor dem Eltern ihre Kinder seit Urzeiten warnen, hat seinen Aktionsradius längst auf das Internet ausgedehnt. Davon berichten unzählige Veröffentlichungen, Reden und Warnungen von Pädagogen und Politikern. Vor allem in den USA ist die Angst der Eltern sehr groß, dass ihre Kinder durch Online-Aktivitäten sogenannten "Internet Predators" zum Opfer fallen könnten.

Eine umfangreiche amerikanische Studie über Sexualverbrechen, bei denen der Kontakt zwischen Täter und Opfer über das Netz geknüpft wurde, berichtigt nun ein weit verbreitetes Klischee vom trickreichen Triebtäter an der Tastatur.

Laut den Wissenschaftlern vom "Crimes against Children"-Forschungszentrum der University of New Hamshire tarnt sich die Mehrheit derer, die wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt wurden, im Internet nicht, wie es die oft gehörte Geschichte will, hinter einer vermeintlichen Teenager-Identität im Netz, um mit eben solchen in Kontakt zu kommen. Nur 5 Prozent der Belästiger würden dies vorgeben. Die überwiegende Mehrheit mache kein Hehl aus ihrem Status als Erwachsener und ebensowenig aus ihren sexuellen Interessen, die sie allerdings gut in eine umfangreiche Verführungsstrategie einbauen könnten, die von Teenagern als romantische Liebe missverstanden werden kann.

99 Prozent der Opfer von Akten sexuellen Missbrauchs, die über das Internet initiiert wurden, waren heranwachsende Teenager im Alter zwischen 13 und 17, etwa die Hälfte, 48%, waren zwischen 13 und 14 Jahre alt. Die Daten stammen aus einer nationalen Erhebung, die sich aus Interviews mit Strafverfolgungsbeamten speiste (National Juvenile Online Victimization Study – N-JOV). Die Mehrzahl der Fälle, 95 %, waren der Studie zufolge einvernehmliche sexuelle Handlungen mit beziehungsweise unter Minderjährigen ohne explizites Einverständnis der Eltern, so genannte Fälle von "statutory rape". Jedoch räumen die Forscher hier ein, dass das hier zugrunde gelegte Datenmaterial veraltet sein könnte und der Anteil jener Sexualstraftaten, die durch Internetkontakte vorbereitet werden, in den letzten Jahren gewachsen sein könnte.

Allerdings bemühten sich Janis Wolak, David Finelhor und ihre Kollegen in einem besonders diskutierten Aspekt um mehr Aktualität: Nach ihren Forschungen erhöht die Teilnahme an sozialen Netzwerken wie etwa MySpace anscheinend nicht das Risiko, einer sexuellen Belästigung zum Opfer zu fallen. Bei im Jahre 2007 durchgeführten mehr als 400 Interviews mit Fahndern, die sich mit "Internet-related sex-crimes" befassen, stellte sich heraus, dass die Online-Unholde aller Wahrscheinlichkeit nach keine Verfolgung unschuldiger Opfer betreiben, sondern eher auf der Suche nach Jugendlichen seien, die für Verführung empfänglich sind.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Teenager online mit unerwünschten sexuellen Angeboten konfrontiert werden, hängt laut Erkenntnissen der Studienverfasser von einem Verhaltensmuster ab, dass von einer einer gewissen Risikobereitschaft gekennzeichnet ist: Online-Kommunizieren mit Unbekannten, bedenkenloses Aufnehmen in die Freundesliste, sich mit Fremden online über Sex austauschen, das Aufsuchen von Seiten mit pornografischen Inhalt sowie "unverschämtes Verhalten". (Thomas Pany) (pem)