Händeschütteln für den Fortschritt

Stanford-Forscher haben erstmals Kohlenstoff-Nanoröhren erfolgreich in integrierte Schaltkreise eingebaut und diese auch in größerer Stückzahl auf einem Wafer produziert.

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Von
  • Katherine Bourzac

Stanford-Forscher haben erstmals Kohlenstoff-Nanoröhren erfolgreich in integrierte Schaltkreise eingebaut und diese auch in größerer Stückzahl auf einem Wafer produziert.

Wenn Kohlenstoff-Nanoröhren in den vergangenen Jahren Schlagzeilen gemacht haben, war meist vom „neuen Asbest“ die Rede. Dabei setzen Forscher seit langem große Hoffnungen in die "Nanotubes" als Bausteine einer neuen Post-Silizium-Elektronik. Ingenieure an der Stanford University sind diesem Ziel nun einen entscheidenden Schritt näher gekommen: Sie haben erstmals Nanotubes direkt in einen integrierten Schaltkreis eingebaut, der als Berührungsensor dient.

Er wandelt das analoge Signal eines Kondensators – wie es auch in heutigen Touchscreens genutzt wird – in ein digitales Signal um. Das geht in einen angeschlossenen Prozessor, der daraufhin einen Motor aktiviert. Wie das funktioniert, zeigten die Stanford-Forscher kürzlich in einer konkreten Demonstration. Den Chip mit dem Nanotube-Sensor verbanden die Forscher mit der Handfläche einer Holzpuppe. Wurde die gedrückt, löste der Schalter in dem Chip eine Auf- und Abbewegung aus – also ein Händeschütteln.

Mit der Arbeit hätten sie zudem gezeigt, dass man Nanotube-Transistoren in größeren Mengen herstellen könne, sagt Projektleiter Subhasish Mitra. 44 solche Sensor-Schaltkreise konnte er mit seiner Gruppe auf einem Wafer aufbauen (siehe Bild).

Es gibt gute Gründe für die Begeisterung, die die Röhrenmoleküle entfacht haben. Je nachdem, wie die Kohlenstoffatome in der typischen wabenförmigen Struktur ausgerichtet sind, verhalten sich die Röhren metallisch oder halbleitend. Theoretische Berechnungen zeigen, dass sie in Schaltkreisen wesentlich weniger Strom benötigen und schneller schalten können als ihre Silizium-Gegenstücke. Bereits 1998 wurde im Labor der erste Nanotube-Transistor hergestellt, und es schien nur eine Frage der Zeit, bis der erste Nanotube-Prozessor folgt. Der lässt immer noch auf sich warten: Als zu komplex hat sich präzise und geordnete Integration von Nanoröhren zu Millionen von Transistoren erwiesen.

Denn bei all ihrer theoretischen Eleganz verhalten sich die langen Röhren in der Realität eher widerspenstig. Lässt man sie in einer Reaktionskammer aufwachsen, bilden sie ungeordnete Knäuel. 70 Prozent der Röhren sind halbleitend, 30 Prozent metallisch. Die halbleitenden Nanotubes gezielt herauszulösen, ist nach wie vor schwierig. Die Stanford-Forscher versuchten erst gar nicht, Transistoren mit einzelnen Röhren herzustellen, so wie es die Gruppe um den Niederländer Cees Dekker 1998 gemacht hatte. Sie entwarfen einen fehlertoleranten Schaltkreis, der auch dann noch funktioniert, wenn die eine oder andere Röhre metallisch ist oder gar durchbrennt.

„Wir wollen die Komplexität langsam aufbauen und nach jedem Schritt die Fertigungsmethode weiter verbessern“, sagt Philip Wong, der mit Subhasish Mitra den Sensor-Schaltkreis konstruiert hat. Noch kann der Schaltkreis es ist nicht mit Silizium-Transistoren aufnehmen: Er ist recht langsam und noch deutlich größer.

Doch Aaron Franklin, der am IBM Watson Research Center Nanolektronik entwickelt, ist zufrieden: „Die Arbeit zeigt, dass sich Nanotube-Transistoren in logische Schaltkreise integrieren lassen und bei niedrigen Spannungen funktionieren.“ Franklins Gruppe konnte dies bisher nur an einzelnen Transistoren demonstrieren. Andere Forschungsgruppen haben die Möglichkeit einer Schaltkreis-Integration in Rechenmodellen durchgespielt. Dass nun endlich die praktische Umsetzung gelungen ist, freut Franklin.

„Das Ganze unterscheidet sich nicht von den frühen Tagen der Siliziumtechnik“, sagt Ashraf Alam, Elektroingenieur an der Purdue University. Auch die ersten Silizium-Transistoren und die aus ihnen angefertigten Schaltkreise seien von schlechter Qualität gewesen. Angesichts ihrer heutigen Leistungsfähigkeit vergisst man diese mühsamen Anfänge leicht. Die Halbleiterindustrie hat Jahrzehnte gebraucht, um Milliarden von Silizium-Transistoren mit einer Strukturgröße von derzeit 22 Nanometern so herzustellen, dass jeder einzelne im großen und ganzen gleich zuverlässig funktioniert.

Irgendwann wird aber die anhaltende Miniaturisierung der Siliziumtechnik an Grenzen stoßen. Wenn etwa die Isolatorschicht unter der Gatterelektrode nur noch wenige Atomlagen dick ist, kommt es unausweichlich zu Fehlern im Transistor. „Deshalb muss fehlertolerantes Design Teil der weiteren Entwicklung sein“, sagt Wong. „Denn das perfekte Material wird es nicht geben.“

(nbo)