Freiwillig entmündigt

Wieder sind zwei Klimaforscher mit ihrer Zunft scharf ins Gericht gegangen. In ihrem Buch „Die Klimafalle“ beklagen der Meteorologe Hans von Storch und der Sozialforscher Werner Krauß, dass Wissenschaftler die „heimlichen Advokaten“ der Politik geworden sind. Ihr Fazit: Klimaforscher sollten wieder Wissenschaft machen, sonst nichts. Damit aber würde sich die Forschung selbst entmündigen.

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Von
  • Robert Thielicke

Wieder sind zwei Klimaforscher mit ihrer Zunft scharf ins Gericht gegangen. In ihrem Buch „Die Klimafalle“ beklagen der Meteorologe Hans von Storch und der Sozialforscher Werner Krauß, Wissenschaftler seien die „heimlichen Advokaten“ der Politik geworden. Ihr Fazit: Klimaforscher sollten wieder Wissenschaft machen, sonst nichts. Damit aber würde sich die Forschung selbst entmündigen.

Beides sind äußerst renommierte Forscher. Dennoch geht ihre Lehre aus der Klimadebatte zu weit. Man stelle sich nur einmal die Frage: Wo funktioniert es denn, reine Wissenschaft fernab der Politik zu betreiben? Am Teilchenbeschleuniger CERN vielleicht, jedenfalls dann, wenn man den Kampf um die Forschungsmilliarden außen vor lässt. Nun kümmert sich das CERN um Dinge, die bei demokratischen Abstimmungen eher nicht zur Wahl stehen: Higgs-Teilchen, Antimaterie oder dunkle Materie.

Bei der Erderwärmung ist das anders. Sie steht durchaus zur Wahl. Die Deutschen können entscheiden, ob sie den Klimawandel bremsen wollen oder nicht. Und sie können kundtun, zu welchem Preis. Als Grenze steht in vielen Programm-Papieren derzeit eine Erwärmung von zwei Grad. In die Debatte geworfen hatten sie in der Tat Klimaforscher, aber gemeint war sie immer nur als Hausnummer, als Orientierung. Denn kein magischer Vorgang verwüstet die Erde ab exakt 2,1 Grad Celsius. Vielleicht auch nicht ab 2,5 Grad Celsius. Kritiker des Zwei-Grad-Ziels merken daher an, es sei nicht Aufgabe von Wissenschaftlern, politische Vorgaben zu machen – zumal in seinem so unsicheren Feld.

Dem sei entgegnet: Wissenschaftler haben den Politikern keine Vorgaben gemacht – schlicht, weil sie es nicht können. Sie können lediglich ihre Sicht der Dinge darlegen, und sie sollten dies auch möglichst deutlich tun. Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass Politiker „die Wissenschaft kapern“, um sich die eigene Entscheidung leicht zu machen. Das kritisieren von Storch und Krauß zu Recht. Sich nun aber als Reaktion bei gesellschaftsentscheidenden Themen wieder in den Elfenbeinturm zurückzuziehen, hieße: sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Die Leibniz-Gesellschaft dürfte keine Position mehr zur grünen Gentechnik beziehen. Biomediziner dürften sich nicht im Streit um embryonale Stammzellen äußern. Ökonomie-Professoren dürften sich nicht in die Debatte um den Mindestlohn einschalten. Demografen keine Positionspapiere zur Geburtenrate veröffentlichen. Kurz: Eine technologisierte Welt müsste ohne Technologen gedeutet werden.

Es wäre eine Position, die sich zurückwünscht in die Zeiten klarer Fronten: Auf der einen Seite eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse – und auf der anderen das, was die Politik daraus macht. Aber so einfach ist es nicht mehr. Viele Felder, die Forscher heute beackern, haben eine bedeutende gesellschaftliche Komponente. Wer sich vor ihr wegducken will, entmündigt die Wissenschaft. (rot)