Fabrik der Zukunft: Der virtuelle Maschinenraum

Die komplette Fertigung im Computer simulieren – und dabei nach ressourcensparenden Verfahren suchen. So sollen Fabriken effizienter werden.

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Von
  • Robert Thielicke

Das Vorhaben bedeutet eine immense Herausforderung: Eine ganze Branche muss umdenken. Früher wurde zunächst die Maschine entworfen, dann wurde sie automatisiert. Bewegungsabläufe waren nicht aufeinander abgestimmt, Bearbeitungsschritte warteten auf andere, brauchten aber trotzdem Strom. Heute ist Co-Engineering gefragt, also eine enge Abstimmung beider Disziplinen – vor allem wenn man Energie sparen will. Damit die komplexe Planung funktioniert, wird eine Maschine vielfach bereits virtuell in Betrieb gesetzt, noch bevor der Grundstein zur Werkshalle gelegt sei, betont Dirk Keller, Leiter Konzeptengineering bei EDAG-Production-Solutions. „Das bringt einen Zeitvorteil von bis zu 50 Prozent.“ Der Engineering-Dienstleister in Fulda unterstützt Betriebe – vor allem aus der Automobilindustrie – bei der Automatisierung ihrer Produktionslinien.

Derzeit sind die EDAG-Experten dabei, die virtuellen Modelle um den Faktor Energieeffizienz zu erweitern, berichtet Technology Review in seinem extra "Fabrik der Zukunft". Dann kann man schon vor der Inbetriebnahme anhand von bewegten Massen oder Bewegungsprofilen der Werkzeuge in den Maschinen kalkulieren, wie viel Energie jeder Arbeitsschritt braucht. Zwei bis drei Prozent Energieeinsparung müssen die Planungsleiter der Automobilhersteller üblicherweise pro Jahr nachweisen. Anfangs ging das noch durch Maßnahmen wie Reduzierung der bewegten Massen oder Einsatz effizienter Antriebe auf Zellenebene. „Aber irgendwann kommt man nicht mehr darum herum, sich den gesamten Fertigungsprozess anzuschauen“, sagt Keller. Die Einsparungen durch eine ausgeklügelte und besser an die Mechanik angepasste Automatisierungstechnik beziffert der Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie auf rund zehn Prozent des gesamten Energieverbrauchs der Industrie.

Wie komplex die Umsetzung werden kann, zeigt eine auf den ersten Blick so einfache Anlage wie eine Verpackungsmaschine: Hundert Einzelbewegungen sind nötig, um etwa einen Schokoriegel in seine Schutzhülle zu befördern. Schokoriegel positionieren, Folie mehrfach falten, Messer absenken und seitwärts bewegen, jede Teilbewegung braucht ein wenig Energie und zwar in der Regel umso mehr, je schneller die Bewegung ausgeführt wird. Beschleunigen bedeutet Energieverbrauch, Abbremsen bedeutet Energiegewinn – theoretisch. Denn der Strom, den der Motor beim Abbremsen erzeugt, wird meist auf so genannte Bremswiderstände geleitet, also als Wärme abgegeben. „Ein Unsinn“, kritisiert Thomas Hammermeister vom Energiespezialisten Schneider Electric, der das Optimierungspotential der Verpackungsmaschine unter die Lupe genommen hat. Stattdessen solle man die Bremsenergie lieber für die Beschleunigung einer anderen Bewegung nutzen.

Die muss allerdings im selben Moment stattfinden. Die Bewegungsabläufe müssen daher so ineinander verschachtelt werden, dass zum Beispiel beim Abbremsen einer schweren Achse gleichzeitig eine leichte Achse beschleunigt und diese die Bremsenergie nutzen kann. Die elektrischen Verstärker für die Antriebe sind dafür zu einem Energiepool zusammengeschaltet, Kondensatoren dienen zusätzlich als Kurzzeitspeicher für den Strom. Reicht die Zeit, laufen manche Bewegungen auch langsamer als früher, denn eine geringere Beschleunigung spart ebenfalls Energie. Im Fall von Schneider Electric und der Verpackungsmaschine brachte die Optimierung der Antriebe zehn Prozent Energieeinsparung. Und weitere satte 20 Prozent weniger Energie verbraucht die Maschine, weil der Lüfter, der die Verpackungsfolie auf das Transportband saugt, überdimensioniert war. Summa summarum: 30 Prozent Energieeinsparung.

Kleine und mittelständische Unternehmen sind davon allerdings oft noch weit entfernt. Sie wissen oft schlicht nicht, wie viel Energie ein bestimmter Bearbeitungsschritt in einer Maschine braucht. Hauptsache, es funktioniert und die Kostenkalkulation stimmt. Aber nicht nur die Kunden der Maschinenbauer, auch die Anbieter hinken oft hinterher. Der wichtigste Trend im Mittelstand sei zwar die Energieeffizienz, betont Volker Schiek, Leiter des Landesnetzwerk Mechatronik BW, das Maschinenbauer in Baden-Württemberg unterstützen soll. Leider hätten viele Firmen aber noch nicht verstanden, wie man daraus Geschäftsmodelle mache.

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(rot)