Abschied von den Seltenen Erden

Sie machen Elektroautos sowie Windkraftanlagen teuer und sind die Ursache für veritable Handelskriege: Metalle aus der Gruppe der seltenen Erden. Nun haben Forscher entdeckt, wie sich der Bedarf verringern lässt.

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Von
  • Manuel Berkel

Sie machen Elektroautos sowie Windkraftanlagen teuer und sind die Ursache für veritable Handelskriege: Metalle aus der Gruppe der seltenen Erden. Nun haben Forscher entdeckt, wie sich der Bedarf verringern lässt.

Zusammen mit der USA und Japan beschwerte sich die EU vor einem Jahr bei der Welthandelsorganisation WTO über Chinas Exportbeschränkungen für seltene Erden. Das Land verfügt weltweit über die bedeutendsten Vorkommen der begehrten Elemente. Die Folge: Der Preis für ein Kilogramm Neodymoxid ist beispielsweise seit 2009 von 19 auf 80 Dollar gestiegen. Ein Kilo Kupfer kostet nur acht Dollar.

Der Streit vor der WTO hält immer noch an und zeigt, wie groß die wirtschaftliche Bedeutung von Elementen wie Lanthan, Yttrium oder Praseodym ist. Seltene Erden stecken in Handys, Elektroautos oder Windrädern. Forscher suchen deshalb nach Alternativen. Dabei konzentrieren sie sich auf Technologien, die Permanentmagnete benötigen – vor allem auf Motoren von Elektroautos oder Generatoren von Windkraftanlagen. Hier herrscht ein ständig steigender Bedarf an besonders kostspieligen seltenen Erden. Permanentmagnete können bei einem Zehntel des Gewichts ein genauso starkes Magnetfeld aufbauen wie eine stromdurchflossene Kupferspule. Sie machen Motoren und Generatoren effizienter, kleiner, leichter und unkomplizierter.

Zwar gibt es auch Permanentmagnete ohne seltene Erden, doch erst diese verleihen ihnen die nötige Leistungsfähigkeit für großindustrielle Anwendungen. Einige "leichte" seltene Erden wie Neodym und Samarium verstärken das Magnetfeld von Permanentmagneten. Meist wird dazu pulverförmiges, kristallines Neodym einer Eisen-Bor-Legierung zugesetzt. Das Neodym macht Magnete gleichzeitig stabiler gegen Entmagnetisierung durch mechanische Stöße oder andere Magnetfelder – eine Grundbedingung für den Einsatz in Fahrzeugen. Ein weiteres Element, Dysprosium, macht sie hitzebeständig. Nur so widerstehen sie Temperaturen von 200 Grad Celsius, die im Motor eines Elektroautos herrschen. Normale Neodym-Magnete verlieren schon bei 120 Grad ihre Wirkung.

Die verbauten Mengen sind beachtlich: In einer getriebelosen Drei-Megawatt-Windturbine stecken etwa 1,8 Tonnen Neodym-Eisen-Bor-Magnete. Ein Motor für ein Elektroauto enthält zwei Kilogramm Magnete, die etwa 600 Gramm seltene Erden enthalten. Sechs bis acht Prozent des Gesamtgewichts, also bis zu 160 Gramm, entfallen auf "schwere" seltene Erden wie Dysprosium oder Terbium. Gerade diese schweren Varianten sind besonders knapp. Sie kommen im Unterschied zu Neodym fast ausschließlich in China vor.

Entsprechend gut lässt sich das Land den Export bezahlen. Chinesisches Dysprosium etwa kostet mit 630 Dollar pro Kilogramm das Achtfache von Neodym. Die Forscher konzentrieren sich deshalb zunächst darauf, den Anteil schwerer seltener Erden in Dauermagneten zu senken. "Von acht Prozent wollen wir auf unter zwei Prozent kommen", sagt Oliver Gutfleisch, Professor für funktionale Materialien an der TU Darmstadt. Mit Elektronenmikroskopen sucht Gutfleisch nach Schwachstellen in den Nanostrukturen von Magneten. Fündig wurde er an den Übergängen zwischen den Neodym-Eisen-Bor-Partikeln, den sogenannten Korngrenzen-Phasen. Ein erster Ansatz ist deshalb, Dysprosium nur noch an diesen Übergängen anzureichern. Siemens, das ebenfalls an der Reduzierung seltener Erden arbeitet, will dazu die Herstellung abändern: Das Unternehmen will Magneten nur noch mit einer dünnen Dysprosium-Schicht umgeben und das Metall dann durch eine spezielle thermische Behandlung an den Partikelübergängen konzentrieren.

Gutfleisch will sogar das Ziel erreichen, komplett auf schwere seltene Erden zu verzichten. Er versucht, die thermische Stabilität der Magnete zu erhöhen, indem er die Partikel an ihren Übergängen mit einer Art Schutzmantel aus einer Neodym-Kupfer- oder Neodym-Aluminium-Legierung umgibt. Schon 2015 will Gutfleisch fertige Permanentmagnete vorstellen, die ohne schwere seltene Erden auskommen. Andere Wissenschaftler haben den Ehrgeiz, auch auf leichte seltene Erden zu verzichten. In Japan und den USA forschen sie an Magneten aus Eisennitrid. Es hat eine ähnlich starke Magnetisierung wie Neodym-Eisen-Bor, zerfällt aber erst bei 200 Grad Celsius. Migaku Takahashi von der Tohoku Universität will bereits Nanopartikel und dünne Schichten aus Eisennitrid hergestellt haben, die entsprechend hitzebeständig sind.

Ein zweiter Ansatz basiert auf Mangan-Wismut-Verbindungen. Sie verhalten sich atypisch, bei höheren Temperaturen steigt ihre Widerstandsfähigkeit gegen Entmagnetisierung. Nachteilig ist allerdings ihre geringe Energiedichte, sie soll durch die Beigabe von Eisen und Cobalt erhöht werden. Diese Verbindung ist aber relativ weich. Siemens forscht deshalb an speziellen Nanodrähten aus Eisen-Cobalt, welche die Legierung härten und stabilisieren sollen. Ziel sind Magnete, die bei über 150 Grad Celsius stabil bleiben.

"Der Einsatz in Motoren von Elektroautos ist für uns ein langfristiges Ziel", sagt Gotthard Rieger, Leiter der Magnetische-Materialien-Forschung bei Siemens Corporate Technology. Doch am Ende wird es wohl immer bei einem Kompromiss zwischen optimalen Magneteigenschaften und sparsamem Einsatz teurer Materialien bleiben. "Man wird sich wohl damit begnügen müssen, Magnete zu entwickeln, die den Bereich zwischen Ferrit- und Seltenerd-Magneten abdecken." (bsc)