Informatiktage 2013: Smart Life dank IT

Wie man durch Informatik die Lebensbedingungen nachhaltig verbessert, war das Leitthema der diesjährigen Nachwuchsveranstaltung der Gesellschaft für Informatik.

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Von
  • Achim Born

Mit Übergängen zwischen den Systemen zur Smart City: Ina Schieferdecker auf den Informatiktagen 2013.

(Bild: GI)

Seit dem Start der Veranstaltung im letzten Jahr des vorigen Jahrtausends begreift die Gesellschaft für Informatik (GI) ihre Informatiktage auch ein wenig als "Labor für Zukunftsfragen". Um diesen Charakter zu betonen, stellte der Informatiker-Verein die diesjährige Nachwuchsveranstaltung erstmals unter eine Leitüberschrift. Mit dem Slogan "Smart Life - dank Informatik" sollten auf der Tagung, die am Wochenende wie immer im B-IT Center in Bonn stattfand, die "guten" Seiten der Informatik für eine nachhaltige Verbesserung unserer Lebensbedingungen angesprochen werden. Sowohl der Hauptvortrag der Informatikerin Ina Schieferdecker, bekannt geworden durch ihre Beiträge zu Software-Testverfahren, als auch die traditionell von Wolfgang Back (ComputerClub2) moderierte Talk-Runde mühte sich, die Thematik ein wenig zu beleuchten.

Ina Schieferdecker ließ in ihrem Beitrag "Smart City" die Vielschichtigkeit und Komplexität der anstehenden Aufgaben anklingen. Die Professorin am Berliner Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (FOKUS) machte zu Beginn erst einmal darauf aufmerksam, dass Informatik für Behörden, Verwaltungen & Co. kein Neuland sind. Im Gegenteil sei Informatik in und für den öffentlichen Raum ein lukratives Geschäft, wie einschlägige Statistiken von BITKOM und Pike Research belegten. Neu an dem Konzept der Smart City ist die Konsequenz, mit der die Optimierung aller urbanen Ressourcen einschließlich des Human-Vermögens angegangen wird. Voraussetzung sei, so Ina Schieferdecker, dass die Stadt als Organismus über sich Bescheid weiß.

Nun wissen die Ämter und Behörden in den Städten vielleicht viel, aber keinesfalls Bescheid. Es wird sich wohl kaum ein Mensch finden lassen, der im eigenen urbanen Umfeld noch nicht durch die Folgen der Scheuklappenpolitik einzelner Behörden belästigt wurde. Die Klassiker hier sind Bautrupps unterschiedlicher Versorgungsunternehmen, die unkoordiniert Straßen aufreißen, oder die fehlende Abstimmung zwischen Verkehrslenkung und Straßenbaumassnahmen.

Ein Kennzeichen der "smarten" bzw. "intelligenten" Stadt ist daher, dass bislang getrennte Ver- und Entsorgungssysteme integriert werden. "Es müssen Übergänge zwischen den Systemen geschaffen werden und Informationen übergeben werden", erklärte Schieferdecker. Die Wissenschaftlerin verwies hier auf die Arbeiten des Münchener Kreises, der 2010 anlässlich einer Fachkonferenz eine Art Definition für die Smart City formulierte. Demnach wird die Stadt von morgen verstanden als "Stadt mit einer intelligenten, integrierten und vernetzten Infrastruktur". Neue Techniken auf dem Gebiet der Sensorik, Vernetzung und Mobilkommunikation helfen, die zuvor weitgehend statischen Stadtinfrastrukturen beobachtbar und bewertbar zu machen. Städtische Daten lassen sich zuverlässig interpretieren und analysieren.

Und den Schlüssel zu mehr Verständnis zwischen den Systemen und damit "Smartness" für die Stadt liefert das Konzept der "Open Data". Gemeint damit ist, dass in Analogie zu Open Source städtische Daten zentral, strukturiert, maschinenlesbar und offen lizenziert bereitgestellt werden. Beispiele hierfür sind das Berliner Open Data-Portal und das Mitte Februar in den Probebetrieb gegangene Datenportal des Bundes GovData. Die mehrschichtigen Plattformen, an denen das Fraunhofer FOKUS maßgeblich mitwirkte, nutzen im Kern das CKAN-Programm (Comprehensive Knowledge Archive Network) der Open Knowledge Foundation. Das zugrunde liegende Metadatenschema basiert auf JSON (JavaScript Object Notation).

Neben den Behörden steht es Privatpersonen und Unternehmen frei, Open Data für eigene Zwecke zu "meshen". Meist handelt es sich hierbei um naheliegende Anwendungen wie die Auskunft zu rollstuhlgerechten Orten oder zu aktuellen Ozon-Werten in Berlin. Dass selbst Daten des Baumkatasters von Nutzen sein können, zeigt das Beispiel Paris. Schnell fanden sich findige Makler, die auf dieser Basis Wohnort-Empfehlungen für Allergiker entwickelten.

Mit der Freigabe öffentlicher Daten wird das Angebot "smarter" Lösungen auf Open-Data-Basis sicherlich schnell zulegen. Zu beachten ist, dass das beliebige "Meshen" der Daten in Sachen Persönlichkeitsschutz u.ä. durchaus kritisch zu betrachtet ist. Die erwähnte Podiumsdiskussion offenbarte zudem, dass mit der Einführung neuer "Smart-Life"-Systeme auch Akzeptanz und Übergang geprüft werden wollen.

Die Bonner Veranstaltung bot natürlich auch den Studierenden ausreichend Gelegenheit, die "Smartness" ihrer fachlichen Ideen (nachzulesen im Tagungsband) darzulegen. Für Kurzweiligkeit sorgte einmal mehr der so genannte Poster-Flash, bei dem jeder Teilnehmer eine Minute Zeit zur Verfügung steht, das Plenum für sein im Souterrain ausgestelltes Poster zu interessieren. Die Auszeichnung zum "best paper" erhielt am Schlusstag der Veranstaltung Stephan Opfer (Uni Kassel) für seine Master-Thesis "Limits of SROIQ in the Context of Reasoning Support for Multi-Agent Plan Modelling". Tanja Blascheck, Michael Raschke und Thomas Ertl (Uni Stuttgart) folgen auf Rang 2 mit "eTaddy - ein integratives Framework für die Erstellung, Durchführung und Analyse von Eyetracking-Daten. Als drittbester Beitrag wurde die Arbeit "Markerloses, modellbasiertes Echtzeit-Tracking für Augmented Reality-Applikationen" von Jessica Millberg (Hochschule Bonn-Rhein-Sieg) bewertet.

Schon am Abend des Vortages fand die offizielle Preisverleihung zum diesjährigen informatiCup statt. Vier Teams waren eigens nach Bonn eingeladen worden, ihre Wettbewerbslösungen zu präsentieren. Den ersten Preis gewannen Neele Halbur (Uni Bielefeld) und Helge Spieker (HS Südwestfalen) für ihre Realisierung der Würfelturm-Editor-Aufgabe, die das gemeinsame gleichzeitige Arbeiten an einem Bauwerk simuliert. Der Jury gefiel insbesondere der interdisziplinäre Ansatz der Einreichung. Die auf Rang 2 und 3 folgenden Teams Uni Siegen (Lukas Sayn, Ricardo Schmidt und Maximilian Wurm) und Hochschule für Technik Stuttgart (Dimitri Danniker, Thomas Feser, Viktor Laukart und Sergej Medved) hatten sich gleichfalls mit dem Würfelturm-Editor befasst. Das Team der TU Dortmund (Alexander Laß und Alexander Drees), das auf Rang 4 folgte, hatte sich dagegen an die recht anspruchsvolle Aufgabe des selbstorganisierten Energiemanagements im Smart Grid herangewagt. Für ihre Wettbewerbsbeiträge erhielten die vier eingeladenen Teams am Ende Geldpreise, die von den Firmen SAP, Hilti und Careerloft sowie der GI gestiftet wurden. (js)