4W

Was war. Was wird.

Immer wieder die leichteste Übung des Guten Deutschen, Beelzebub ausfindig zu machen. Manchmal reicht auch ein konstruierter Internet-GAU. Leichte Übungen sind aber auch zu Ostern nicht unbedingt Glanztaten unabhängiger Geister, merkt Hal Faber an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 30 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Das ist also Ostern. Schnee satt und der Osterhase legt frierend weiße Eier. Keiner sieht sie, keiner will sie suchen in der Kälte, wenn die Sommersonne weg ist. Immerhin ist der Goldhase höchstrichterlich gemeinfrei geworden, jedenfalls in der hockenden, eierlegenden Position, in der er seitwärts blickt. Doch das ist viel zu spät, wie diese kleine Wochenschau, die aus technischen Gründen eigentlich erst nach der Sommerzeit-Umstellung in Netz gekippt werden sollte. Nun geht es doch. Sofort. Genau. Ausgereifte CMSTechnik ist doch was Feines, Zartes, Goldhasiges.

*** Das ist auch Ostern: Im fernen Nordkorea ist der Krieg erklärt worden, Atomschläge nicht ausgenommen. Man hockt und blickt seitwärts nach Südkorea. Doch die blumig bunte Sprache von Naenara fehlt, nur die einschlägig bekannten Ostermarschhasen fordern friedliche Gesten. Ein Tarnkappenbomber voller Goldhasen wäre sehr friedlich, oder überschreitet das schon das Potenzial der regionalen Eskalation, das unser Bundesnachrichtendienst in Korea informationsgewinnend gefunden hat?

*** In dieser Woche wurde bekannt, das auch der BND in den Cyberkrieg ziehen will und deswegen eine kleine Truppe von 130 Mitarbeitern so aufrüsten will, dass sie die OSINT-Informationen von Firmen wie Kaspersky über die Uiguren verstehen und in die in die hauseigene Schusselpedia, äh, Chausseepedia einpflegen können. Wenn alles gut geht, landen dann öffentlich abgeschöpfte Information wie der ausgemachte Unsinn vom großen Internet-GAU in /dev/null. Bislang denkt man aber noch beim BND über das russische Schwarzgeld nach. Einem BND-Sprachspezialisten fiel offenbar auf, dass Rubel auf Russisch abhauen heißt.

*** Ist es eigentlich legitim, als mitdenkender Hacker für den Auslandsnachrichtendienst BND zu arbeiten und Cyberinformationen zu verdichten? Im Unterschied zum absolut nutzlosen Verfassungsschutz (ich wiederhole mich) und zum Bundes- bzw. Zollkriminalamt mit ihren sinistren Trojaner-Plänen voller Computersabotage ist die Informationsgewinnung nicht dazu da, die Rechner der Mitmenschen zu verwanzen und Dreitracht zu säen. Der Informationsdemontagedienst Fefe sagt nein und fährt sogar ganz schweres Geschütz auf, wenn es um das niederländische Sommercamp OHM - Observe, Hack, Make geht. OHM wird von der gemeinnützigen Stiftung "International Festivals for Creative Application of Technology" (IFCAT) veranstaltet, in der Menschen zur Festivalorganisation mit unbezahltem Urlaub freigestellt wurden, die hauptberuflich beim niederländischen Dienstleister Fox-IT arbeiten. Außerdem ist Fox-IT ein Sponsor des Festivals, wie schon im Jahre 2009 beim Hacking at Random, wo sich niemand daran störte. Weitere Firmen: die Sicherheitsfirma Madison Gurkha und die Internet-Anbieter BIT und upc. Nun regnet es Abbestellungen aus Deutschland und Spiegel Online entblödet sich nicht, die "puristische(n) Auslegung der Hackerethik, wie sie der Chaos Computer Club offiziell vertritt," zur Richtschnur des Guten Deutschen zu machen. Aus dem Glück der CCC Veranstaltungs GmbH, für ihre Sommer-Festivals keine Sponsoren für 725.000 Euro zu benötigen, weil die jährliche Wintershow namens Chaos Communication Congress satte Gewinne abwirft, wächst der sehr moralische, sehr deutsche Zeigefinger.

*** Der Blick schweift nach Australien. Dort hat am Ostersamstag das Wahljahr begonnen, mit einem ganz besonderen Auftakt: 500 Menschen müssen sich als Parteimitglieder bei der Wikileaks-Partei einfinden, damit Julian Assange überhaupt zur Wahl antreten kann. Im Vorfeld der Aktion wurde der schwedische Beelzebub kräftig geschüttelt. Die Anhänger der Aktion zweifeln nicht, dass dies gelingen wird. derweil zerbrechen sich Juristen in Ecuador und Großbritannien den Kopf darüber, ob ein Mensch im "politischen Asyl" überhaupt Wahlkampf führen kann. Assange treibt ungerührt davon alles auf die Spitze, das ist seine Leistung. Ob er dabei tatsächlich das Internet entlarvt, wird sich zeigen müssen. Es ist wie bei den Ostereiern: Einige sind wundervoll bunt, aber ausgeblasen, andere sehen öde aus, sind aber lecker voll Eierlikör oder anderem Gedingse. Aber dieses Gelb, dieses wunderbare künstlerische Gelb-Fill-in, schlägt alle Hasen in die Flucht. Darum, was bleibt einem alten Sack denn schon um 3 Uhr morgens Sommerzeit anderes übrig als One Way or Another mitzuröcheln? Vielleicht ist es auch wirklich nur mal wieder Zeit, so richtig langsam tanzen zu lernen.

Was wird.

Was Ostern auch ist: Die paar besinnlichen Tage, bevor der ganze Wahnsinn der Aprilscherze über uns hineinbricht. Das war ursprünglich ein alter Brauch, den Frühling einzuläuten. In diesen Tagen müsste er eigentlich entfallen, Schnee zum Schippen gibt es genug. Entsprechend dümmlich sind auch die Kommentare des ACE, die behutsame Verbesserungen in der deutschen Jurtisten-Sprache sei als Aprilscherz ausgefallen. Eindeutig witziger ist der ADAC mit der Empfehlung, jetzt Sommerreifen aufzuziehen.

Es gibt sie noch, die wirklich witzigen Dinge! Zu ihnen gehört der Versuch der SCO-Zombies, ein Verfahren gegen IBM wieder zum Laufen zu bringen, in dem nacheinander die RichterInnen Campbell, Waddoup, Sam, Benson und Nuffer das Verfahren wegen Befangenheit abgaben. Knickten all die noblen Juristen vor IBM ein oder war der Geruch des toten Pferdes zu stark, das da von SCO zäh weiter geritten wurde? Von Groklaw am 26. März veröffentlicht, steht der Text natürlich außer Verdacht, ein blöder Aprilscherz zu sein.

Einen habe aber ich noch. Am 9. April wird SIS I, das Schengener Informationssystem der ersten Stunde, durch SIS II ersetzt. Das wurde so, allerdings mit deutschem Sondervotum, fast einstimmig beschlossen. Alle Mitgliedsstaaten des Abkommens migrieren dann innerhalb von minimal 28 Stunden oder maximal 36 Stunden ihre Datenbanken, obwohl die meisten den Fallback-Modus nicht ausgetestet haben. Für den Fall der Fälle gibt es natürlich einen Notfallplan: 36 Stunden sind eine lange Zeitspanne, jedenfalls aus der Sicht eines Admins, dem Fahnder an die Gurgel gehen. Deshalb soll ein bewährtes Gerät als Migrationshilfe eingesetzt werden. Da die alte Datenbank mangels Test des Fallback-Modus möglicherweise abgeraucht sein kann, ehe das neue System Supersystem startet, hat man sich für das gute alte Faxgerät entschieden: In God we fax!

Im Klartext heißt das: alle anfallenden dringenden Fahndungsnachrichten werden von allen an alle per Fax verschickt. Eigens zur Migration werden deshalb an diesem Osterwochenende in vielen Ländern Fax-Gateways in die Racks geschoben und geschraubt, dazu Dutzende von Not-Faxgeräten aufgestellt und drölfzig zusätzlich angemietete Telefonleitungen getestet, schließlich kann das Kommunikationssytem sTESTA auch geplättet sein. Der schon in dieser Wochenschau belästerte Gedanke, dass ein Meteorit das Wunderwerk treffen könnte, ist zum 9. April ausdrücklich verworfen worden: Die Nacht wird klar sein, über Europa, ein bisschen Schnee natürlich ausgenommen. Die Maschinen müssen es schaffen, im Namen der schengenischischen Freiheit. Die Größenordnung der europaweiten SIS-Umstellung verspricht also Spaß und Spannung ohnegleichen: Das für SIS-Angelegenheiten zuständige Büro beim Bundeskriminalamt verschickt nach eigenen Angaben täglich 1000 Fahndungsersuchen und bekommt annähernd das Doppelte von allen anderen Staaten. Und es braust ein Ruf wie Donnerhall: Einer faxt allen! Alle faxen einem! Ein Hurra auf unsere Faxetiere! Oder sollten wir es besser mit Knotenknüpfen versuchen? (jk)