Windenergie-Agentur: Grundsatzkritik an Offshore ist kontraproduktiv

Auf Windenergieanlagen im Meer ruhen große Hoffnungen. Tausende Windräder in Nord- und Ostsee sollen Kohle- und Atomkraftwerke ablösen. Doch es geht nicht recht voran, Kritik wird laut. In der Kontroverse geht es grundsätzlich um Sinn und Kosten.

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Von
  • Sönke Möhl
  • dpa

Grundsatzkritik der Verbraucherzentrale an der Offshore-Windenergie hat die Debatte über die Energiewende neu angefacht. Der Geschäftsführer der Windenergie-Agentur (WAB), Ronny Meyer, hält Aussagen des Verbraucherschützers Holger Krawinkel für kontraproduktiv und falsch. Ohne Offshore sei überhaupt keine Energiewende zu schaffen, sagt Meyer im dpa-Interview. Mitglieder in der Windenergie-Agentur sind praktisch alle an der Windenergie interessierten Firmen und Organisationen, aber auch beispielsweise die Universität Bremen. Die WAB finanzierte sich nach eigener Aussage bis 2013 teilweise durch das Land Bremen, mittlerweile aber hauptsächlich aus Mitgliedsgebühren.

Würde die Energiewende auch ohne Offshore-Windenergie funktionieren?

Ronny Meyer: Nein. Offshore ist das Fundament der Energiewende. Das wir heute bereits ein Viertel des deutschen Gesamtstromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen decken ist erfreulich, jedoch fehlen noch Dreiviertel. Dafür brauchen wir unbedingt alle erneuerbaren Energien, Offshore genauso wie Onshore oder Solar. Offshore-Windenergie ist grundlastnah, weil sie eine große Strommenge sehr gleichmäßig zur Verfügung stellen kann, und ersetzt im erneuerbaren Energiemix der Zukunft die Funktion der Großkraftwerke, die wir nicht mehr wollen, nämlich Kohle und Atom.

Wie werden sich die Kosten für Offshore-Windstrom entwickeln?

Meyer: Grundsätzlich werden die Kosten für Offshore deutlich nach unten gehen - wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Das haben Onshore und Solar vorgemacht und nichts spricht dagegen, dass es bei Offshore auch so sein wird. Man muss sich aber vergegenwärtigen, wie Offshore-Projekte funktionieren. Für die Hebung von Kostensenkungspotenzialen ist ein der Projektdauer angemessener, verlässlicher politischen Rahmen notwendig. Die weitere Erosion dieses Rahmens führt zum Verstreichen der Chance auf zügige Kostendegression. Die erste fundierte Schätzung zur Kostensenkung geht von 30 Prozent für Großbritannien aus. Eine Studie der Branche für Deutschland ist unter Beteiligung der WAB gerade in Arbeit.

Sehen Sie in der Kritik der Verbraucherzentrale einen sinnvollen Diskussionsbeitrag?

Meyer: Nein, ganz im Gegenteil, er war mehr als kontraproduktiv für die Energiewende insgesamt. Und zwar weil hier der Versuch unternommen wird, die Technologien gegeneinander auszuspielen, die sich eigentlich ergänzen. Man muss aber fairerweise sagen, dass die Meldungen vom Dienstag sich auf eine einzelne Aussage Dr. Krawinkels gegenüber einem Journalisten beziehen. Die dahinter stehende Analyse ist seine persönliche Analyse und nicht einmal öffentlich. Es ist also überhaupt nicht transparent, wie er zu diesen Schlüssen kommt.

Wir sind daher auch der Meinung, dass die Äußerungen von Herrn Krawinkel weder eins-zu-eins die Position seines Verbandes, geschweige denn die Position der Verbraucher in ihrer Gesamtheit darstellen. Vielmehr ist diese Kritik die Position einer Energiewendeverweigerung - erst ging es gegen Solar, jetzt geht es gegen Offshore. Die Argumente "zu teuer und funktioniert nicht" haben wir 20 Jahre lang auch von der Kohle- und Atomwirtschaft allgemein gegen erneuerbare Energien gehört.

Was wären die Folgen eines Ausbaustopps?

Meyer: Die Energiewende würde scheitern. Außerdem würden über 10 000 hoch qualifizierte Offshore-Jobs heute und die Chance auf noch einmal das Doppelte in den nächsten zehn Jahren zerstört. Aber Offshore wird nicht scheitern, denn wenn die Energiewende in Deutschland scheitert, dann scheitert sie weltweit. Dieser Blick über den Tellerrand fehlt vielen Offshore-Kritikern von heute. Sie schütten das Kind mit dem Bade aus, wenn sie sich für eine reine Kostendebatte instrumentalisieren lassen.

Sehen Sie Fortschritte bei der Lösung der Probleme wie Netzanschluss und Investitionssicherheit?

Meyer: Ende vergangenen Jahres keimte in der Industrie nach der Gesetzesnovelle zur Haftungsregelung beim seeseitigen Netzanschluss die Hoffnung, dass nun ein wesentliches Investitionshemmnis abgebaut wurde. Die Debatte um die sogenannte Strompreisbremse hat uns nun erneut um ein gutes Jahr zurückgeworfen, weil bis zur Bundestagswahl wieder Unsicherheit herrscht. In puncto Investitionssicherheit wird es Zeit, dass die Politik nicht weiter verhindert, dass die Energiewende in ruhigeres Fahrwasser kommt. (jk)