Assange-Affäre: "Ein einziger Kondomfall"

Stefan Lindskog, Vorsitzender von Schwedens höchstem Gerichtshof, hat eine Rede zum Assange-Fall an der Law-School in Adelaide gehalten. Unter anderem betonte er, dass Schweden Assange nicht an die USA ausliefern würde.

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Von
  • Detlef Borchers

Die australische Universität von Adelaide hat das Video der Rede von Stefan Lindskog über die Assange-Affäre online gestellt. Lindskog, Vorsitzender des höchsten schwedischen Gerichtshofes würdigte darin die Verdienste von Julian Assange, Bradley Manning und Wikileaks, klärte seine Zuhörer aber auch über die Komplikationen der Anklage gegen Assange auf. Der Fall Assange sei ein einziger Kondom-Fall, die vorab geleakten Protokolle der betroffenen Frauen sei ein Skandal, für den Lindskog das Internet und die technische Revolution verantwortlich machte.

"Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie der schaurige Hubschrauber-Angriff müssen bekannt werden. Es kann niemals ein Verbrechen sein, das Verbrechen eines Staates öffentlich zu machen." Mit diesen Worten kurz vor dem Jahrestag der Veröffentlichung von Collateral Murder durch Wikileaks beschloss der schwedische Jurist Stefan Lindskog seine Ausführungen zum Fall Assange.

Zur Vortrags-Einladung der Law School der Universität Adelaide vor über einem Jahr habe er gedacht, dass der Fall abgeschlossen sein würde, wenn er auftreten werde und daher zugesagt. Lindskog betonte, dass er nur aus öffentlich zugänglichen Quellen zitiert, übte aber deutliche Kritik daran, dass die Verhör-Protokolle der Sex-Partnerinnen von Assange an die Öffentlichkeit gelangten. Dies sei ein Versagen der schwedischen Polizei, hier habe jemand eindeutig das Gesetz missachtet. Gegen die Presse sei aber nicht vorzugehen, denn ihr Recht, die Quellen zu schützen, sei ein hohes Gut der allgemeinen Meinungsfreiheit.

Lindskog schilderte relativ ausführlich die Probleme der beiden Frauen, Assange zum Gebrauch von Kondomen anzuhalten. Über ihre Benutzung oder Nicht-Benutzung dürfte die zentral wichtige Frage, ob einvernehmlicher Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, entschieden werden. "Der ganze Fall ist ein einziger Kondom-Fall", daher sei Assanges Aussage vor einem Untersuchungsgericht auch so wichtig. Dass ein entsprechendes Verhör in der ecuadorianischen Botschaft stattfinden könne, nannte Lindskog ohne Angabe von Gründen "falsch". Genauer stellte er die Grundlagen für eine Auslieferung von Assange nach Schweden vor, indem er ausführte, dass sowohl das britische wie das schwedische Recht die Straftatbestände der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung kennen.

Lindskog beschäftigte sich auch mit der Frage, ob Schweden Assange an die USA ausliefern müsste. Er stellte vorab fest, dass bisher kein Auslieferungsersuchen vorliege und es nicht einmal Andeutungen über die Gründe für ein solches Begehren gebe. Zwischen Schweden und den USA gebe es besondere Abkommen. Der schwedischen Regierung sei es strikt untersagt, einer Auslieferung aus politischen oder militärischen Gründen zuzustimmen. "Das, was die USA als vertrauliche Informationen bezeichnen, sind nach schwedischer Sicht wahrscheinlich keine vertraulichen Informationen. Die dort von Politikern gebrauchte Formulierung 'Veröffentlichung von Informationen zugunsten des Feindes' kann man als einen politischen Akt interpretieren", erklärte Lindskog.

Die abschließende Diskussion steht derzeit nicht als Video zur Verfügung. In ihr soll Lindskog geantwortet haben, er wisse nicht, warum die Ermittler nicht nach Großbritannien geflogen sind, um dort Assange zu verhören. Vor der Rede des Juristen hatten australische Medien und Wikileaks den Auftritt kritisiert. Die heftigste Kritik kam vom Juristen Greg Barns, der gestern zum Leiter der Wahlkampagne von Julian Assange ernannt wurde. (axk)