Musikindustrie sagt Popkomm ab

Schuld sei auch der "Diebstahl im Internet", begründet der Bundesverband Musikindustrie die Absage der eigentlich für September geplanten Musikmesse. Dennoch soll die Popkomm wiederkommen - mit neuem Konzept im Jahr 2010.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 314 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die für September in Berlin geplante Musikmesse Popkomm fällt aus. Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) und der Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT) bestätigten am heutigen Freitagnachmittag in einer gemeinsamen Mitteilung entsprechende Berichte. Dabei wiesen beide Verbände Spekulationen über das endgültige Aus der traditionsreichen Veranstaltung zurück. "Wir stehen zur Popkomm", erklärten die Verbandschefs Dieter Gorny (BVMI) und Mark Chung (VUT) gemeinschaftlich in Berlin. Für einen Neustart der Messe 2010 soll nun ein "neues Gesamtkonzept" entwickelt werden.

Das lässt auf konzeptionelle Probleme schließen. Doch die Ursache für das Scheitern des illustren Branchentreffs sieht Gorny im Internet. "Viele Unternehmen können es sich wegen des Diebstahls im Internet nicht mehr leisten, an der Popkomm teilzunehmen", sagte der BMVI-Präsident der Tageszeitung Die Welt. Jetzt soll es die Politik richten, die in Sachen "Internetpiraterie nach wie vor den Ernst der Lage nicht erkannt hat". Die deutsche Musikindustrie blickt neidisch ins Nachbarland Frankreich, wo die Regierung trotz erheblicher Widerstände mit Internetsperren gegen illegales Filesharing vorgehen will.

Die Erklärungsversuche des Verbands hält der ehemalige Deutschlandchef von Universal Music für "Quatsch". Das Konzept der Messe sei überholt, sagte Tim Renner im Deutschlandfunk. Von 1998 bis 2003 habe die Musikindustrie die stärksten Einbrüche erlitten und die Talsohle erreicht. Jetzt schrumpfe das Geschäft nur noch langsam. Allerdings hat der BVMI für das vergangene Jahr wieder eine leichte Beschleunigung des Abwärtstrends auf minus 4,7 Prozent verzeichnet. Der Umsatz der deutschen Musikwirtschaft ging in den vergangenen Jahren von 2,7 Milliarden Euro im Jahr 1998 auf heute 1,5 Milliarden Euro zurück.

Die Popkomm scheiterte nach Renners Ansicht aber nicht an ein paar Prozent. Die Messe funktioniere nicht mehr, weil sie als "Selbstdarstellungsfeier" einer Branche diene, die "in der Tat wenig zu feiern hat, weil sie ihr Geschäftsmodell nicht mehr im Griff hat", sagte der Musikmanager im Deutschlandfunk und verwies auf die Versäumnisse, rechtzeitig auf das Internet als Vertriebskanal zu setzen. "Wenn Sie in der Marktwirtschaft erfolgreich sein wollen, müssen Sie mindestens so gut sein wie ihr Konkurrent. Und dabei ist es egal, ob ihr Konkurrent illegal ist."

Die Popkomm GmbH macht die Wirtschaftslage für den Niedergang der Messe verantwortlich. "Trotz positiver Resonanz auf die neue Veranstaltungslocation und befriedigender Buchungen der Aussteller rechnen wir wegen der Wirtschaftslage mit einem erheblichen Rückgang der Fachbesucher", erklärte Geschäftsführer Ralf Kleinhenz. "Aus Verantwortung gegenüber den Ausstellern haben wir uns daher entschlossen, die Popkomm für ein Jahr auszusetzen". 2008 waren nach Messeangaben 843 Aussteller aus 52 Ländern und über 14.000 Fachbesucher auf der Popkomm.

Gorny selbst hatte die Musikmesse in den 1980er Jahren als Leiter des Rockbüro NRW initiiert. Ab 1989 entwickelte sich der kleine Branchentreff unter dem Namen Popkomm in Düsseldorf und dann Köln zum internationalen Event mit Showcharakter. 2004 zog die Popkomm nach Berlin um, konnte aber auch in der Hauptstadt die schon seit 2000 spürbare Erosion nicht mehr stoppen. Das (noch ungeschriebene) neue Konzept soll "den radikal veränderten Rahmenbedingungen der Musikwirtschaft" Rechnung tragen und der Messe "eine tragfähige Zukunftsperspektive" eröffnen. (vbr)