Kritik an Empfehlungen des Europarates zum Schutz der Meinungsfreiheit

Die European Digital Rights Initiative stört sich insbesondere an Empfehlungen zum "Rating" von Informationen, zu einer "Qualitätskontrolle" von Inhalten und zur Herstellung einer Balance zwischen Meinungsfreiheit und den Wertvorstellungen Dritter.

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Von
  • Monika Ermert

Die European Digital Rights Initiative (EDRI) warnt vor möglichen negativen Effekten einer kürzlich veröffentlichten Europarats-Empfehlung zur Meinungsfreiheit in der Informationsgesellschaft. In einer Erklärung rügt die Dachorganisation europäischer Nichtregierungsorganisationen insbesondere die Empfehlungen zum "Rating" von Informationen, zu einer "Qualitätskontrolle" von Inhalten und zur Herstellung einer Balance zwischen Meinungsfreiheit und den Wertvorstellungen Dritter. Die Empfehlung könne ihr Ziel verfehlen, dem Respekt vor der Meinungsfreiheit im Onlinebereich Geltung zu verschaffen. EDRI ruft Nichtregierungsorganisationen zur Unterzeichnung der Erklärung auf, aber auch dazu, als Beobachter an künftigen Beratungen bei der Expertengruppe Menschenrechte des Europarates teilzunehmen.

Besonders kritisch sehen die Aktivisten die Aufforderung an die Europarat-Mitgliedsländer, "eine faire Balance herzustellen zwischen dem Recht, seine Meinung frei zu äußeren und dem Respekt vor der menschlichen Würde und den Rechten Dritter, und dabei zu beachten, dass das Recht auf Meinungsfreiheit Regeln, Bedingungen und Beschränkungen unterliegen kann, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren". Solchen Relativismus halten die EDRI-Mitglieder für gefährlich, er widerspreche auch dem Artikel 10 Paragraph 2 der Europäischen Konvention für Menschenrechte.

Die Empfehlung an private und staatliche Akteure, für Kinder ungeeignete Inhalte mit Metainformationen zur gezielten Ausfilterung zu versehen (Rating, Labeling, Filtering), ist aus Sicht der EDRI ebenfalls riskant. Bindende Gesetze, die die Grundrechte wahren, seien hier die bessere Lösung. Meryem Marzouki, Mitarbeiterin der französischen Organisation Imaginons un Réseau Internet Solidaire (IRIS), die für EDRI die Beratungen über die Richtlinien in der beim Europarat federführenden Expertengruppe "Menschenrechte in der Informationsgesellschaft" beobachtet hat, warnt vor einer möglichen "Privatisierung der Zensur".

"Hier sehen wir einen Rückschritt in der Position des Europarates," sagte Merzouki gegenüber heise online. Bislang habe der Rat "Transparenz und klare rechtliche Regeln" zum Schutz der Meinungsfreiheit hochgehalten. Eine Art Outsourcing bei der Aufsicht an Private, die diese dann möglicherweise als Geschäft betreiben, sorge für Intransparenz. "Auch wenn das Dokument ansonsten gut ist, wollen wir auf diese Richtungsänderung aufmerksam machen", erläutert Merzouki.

Beim Europarat sind weitere Dokumente zu technischen Maßnahmen zum Schutz vor oder von bestimmten Inhalten in der Diskussion. Neben Filterwünschen aus dem Bereich Jugendschutz befürchtet die EDRI auch solche von Urheberrechtsinhabern. Die Rating-Filtering-Debatte wurde hierzulande zum Start des deutschen Ablegers von ICRA (Internet Content Rating Association) geführt. Der Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem warnte im Rahmen der Debatte vor einer "Geistespolizei". (Monika Ermert) / (anw)