Online-Propaganda: Das ging nach hinten los

Soziale Medien sind eine scharfe Waffe im Kampf um Meinungshoheit. Doch die verbalen Geschosse können sich auch gegen jene richten, die sie zünden.

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Von
  • Marcel Grzanna

Soziale Medien sind eine scharfe Waffe im Kampf um Meinungshoheit. Doch die verbalen Geschosse können sich auch gegen jene richten, die sie zünden.

Das chinesische Staatsfernsehen CCTV hat diese Erfahrung jüngst gemacht, als es eine vermeintliche Kampagne gegen den US-Konzern Apple steuerte. Kurz nach der Ausstrahlung eines CCTV-Berichts, der die Rückgabe-bedingungen für defekte Apple-Produkte anprangerte, äußerten gleich mehrere prominente Mikroblogger via Sina Weibo ihr Entsetzen über die Geschäftspraktiken des Unternehmens. Weibo ist die chinesische Version von Twitter, und die populären Miniblogger erreichen zum Teil mehrere Millionen Anhänger mit ihren Tweets. Ihre kollektive Bestürzung hätte also eine subtile Wirkung erzielen und das Image von Apple nachhaltig beschädigen können – wenn einem der Prominenten nicht ein dummer Fauxpas unterlaufen wäre.

Der taiwanesisch-stämmige Schauspieler Peter Ho klagte an diesem Abend um 8.26 Uhr über Weibo, dass Apple seine Gefühle mit den "vielen Tricks" verletzt habe. Am Ende der Nachricht aber folgte ein kleiner Hinweis, der offenbar nicht für die Massen bestimmt war: "Zu veröffentlichen etwa um 8.20 Uhr", stand da.

Es dauerte nicht lange, ehe zahlreiche Weibo-Nutzer dem Schauspieler vorwarfen, er hätte im Auftrag von CCTV und gegen Bezahlung vorformulierte Nachrichten über sein Konto versandt – und dummerweise beim Kopieren der Nachricht vergessen, den ausschließlich an ihn gerichteten Hinweis mit der Uhrzeit zu löschen. Peter Ho meldete sich rund zwei Stunden später erneut über Weibo. Er beteuerte, sein Konto sei geknackt worden und jemand Fremdes habe in seinem Namen die Nachricht veröffentlicht.

Ob es nun so war oder nicht: Prominente Mikroblogger als Sprachrohr für die eigene Propaganda zu vereinnahmen ist durchaus üblich. Der Direktor der Marketingabteilung von Shanghai TV gab kürzlich in einem Zeitungsinterview diverse Namen von bekannten Persönlichkeiten preis, die für einen Tweet in ihrem Namen 20000 Yuan, umgerechnet knapp 2500 Euro, verlangen würden. Andere Prominente berichten, sie würden regelmäßig Anfragen erhalten für diese Form des Weibo-Marketings. Und der ehemalige Chef von Google China, Kai-Fu Lee, teilte mit, auch ihn habe CCTV im konkreten Apple-Fall anwerben wollen. Er habe jedoch abgelehnt.

Pikant ist die Geschichte auch deshalb, weil Schauspieler Peter Ho zusätzlich als Unternehmenssprecher von Samsung fungiert. Spekulationen blühen seitdem, dass der koreanische Elektronikriese das chinesische Staatsfernsehen und Sina Weibo bezahlt habe, um den Rivalen Apple zu beschmutzen. Die Mehrheit der Internetnutzer vermutet aber, dass CCTV selbst hinter der Aktion steckte. Der Vorwurf der Netzgemeinde lautet: Über die Sendeanstalt wolle die Regierung ausländische Konzerne mit großen Marktanteilen in China schlecht machen, damit die landeseigenen Firmen davon profitieren können.

Statt Apples Kundenservice steht nun die Glaubwürdigkeit von CCTV am Pranger. Ein klassisches Eigentor. Zumal sich die Kritik an CCTV und seinen Machenschaften inzwischen unter dem Hashtag #8.20 in geballter Form gesammelt hat. Die Macher einer Apple-Fanseite im Internet nutzen den Hashtag sogar dazu, um die kritisierten Geschäftspraktiken des Unternehmens mit denen der Mitbewerber Samsung, Nokia oder des chinesischen Kontrahenten Lenovo zu vergleichen. Wegen der Popularität des Hashtags erreichen die Apple-Freaks deutlich mehr Leute als über ihre Webseite. (bsc)