Bandbreiten-Drossel: Telekom kappt Festnetz-Flatrates

Die Deutsche Telekom will in der Leistungsbeschreibung für alle Festnetz-Neuverträge ab 2. Mai eine Bandbreiten-Drossel abhängig vom Transfervolumen festschreiben. Netzaktivisten und Piraten kritisieren die Verletzung der Netzneutralität.

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Von
  • Urs Mansmann

Die Deutsche Telekom hat offiziell bestätigt, dass sie künftig für alle Breitbandanschlüsse im Festnetz eine Volumendrossel einführt, nachdem diese Information vorab durchgesickert war. Ab 2. Mai umfasst die Leistungsbeschreibung bei allen Festnetz-Neuverträgen eine Bandbreiten-Drossel abhängig vom Transfervolumen, Bestandskunden sind davon vorerst nicht betroffen.

Bislang fand sich solch ein Passus bei der Telekom nur für VDSL- und Glasfaseranschlüsse mit 25 bis 200 MBit/s im Downstream. Je nach Datenrate der Verbindung schlägt die Drossel nach 75 (bis 16 MBit/s) bis 400 Gigabyte pro Monat (bei 200 MBit/s) zu, die gedrosselte Datenrate liegt bei einheitlich 384 kBit/s – bandbreitenhungrige Dienste lassen sich damit nicht mehr nutzen:

  • Internetanschluss mit einer Bandbreite von bis zu 16 Mbit/s (ADSL2+): 75 GByte Transfervolumen
  • Internetanschluss mit einer Bandbreite von bis zu 50 Mbit/s (VDSL): 200 GByte Transfervolumen
  • Internetanschluss mit einer Bandbreite von bis zu 100 Mbit/s (Glasfaseranschluss oder VDSL-Vectoring): 300 GByte Transfervolumen
  • Internetanschluss mit einer Bandbreite von bis zu 200 Mbit/s (Glasfaseranschluss): 400 GByte Transfervolumen

Vorerst soll eine Drosselung praktisch aber nicht stattfinden, die Telekom sichert sich nur das Recht dazu zu. Wann die Umsetzung erfolge, hänge "von der Verkehrsentwicklung im Internet ab". "Wir gehen bisher davon aus, dass wir die Limitierung technisch nicht vor 2016 umsetzen", erklärte Michael Hagspihl, Geschäftsführer Marketing bei der Telekom Deutschland.

Sobald die Drossel umgesetzt wird, sollen Kunden über Zubuchoptionen weiteres Transfervolumen ohne Bandbreitenbegrenzung kaufen können. Die Konditionen dafür stehen aber noch nicht fest. Die Nutzung von IPTV (Entertain), des VoIP-Anschusses der Telekom und das Teilen des Anschlusses per "WLAN to go " werden auf das Volumen nicht angerechnet. Die Telekom begründet das damit, dass der Kunde für diese Leistungen extra bezahlt. Bürgerrechtler und Verbraucherschützer kritisieren eine solche Praxis als Verstoß gegen die Netzneutralität.

Die Telekom begründet ihren Schritt mit dem ständig steigenden Transfervolumen, das einen kontinuierlichen Ausbau der Netze erforderlich mache. Eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur für Deutschland koste 80 Milliarden Euro, führt die Telekom aus. Dabei geht es in diesem Punkt nur um die Hausanschlüsse. Die Engpässe entstehen aber auf den Backbones und unabhängig davon, ob DSL oder Glasfaser auf der letzten Meile eingesetzt werden. Internetanschlüsse mit höheren Datenraten würden Engpässe auf den Backbones sogar noch verschärfen.

[Update 23.04.2013 9:18]:

Der Verein Digitale Gesellschaft kritisierte, eine solche Drosselung, wie die Telekom sie vorhabe, mache "die Verbindung unter heutigen Ansprüchen nicht mehr nutzbar". Die Geschwindigkeit werde damit auf ein Niveau der 90er Jahre reduziert. "De facto ist das eine Sperre", erklärte Markus Beckedahl, Vorstand des Vereins Digitale Gesellschaft. Er sieht das Prinzip der Netzneutralität, also der gleichberechtigten Durchleitung allen Datenverkehrs, in Gefahr.

Die Piratenpartei kritisierte das Vorhaben der Telekom ebenfalls scharf. "Das ist eine Diskriminierung und ein offener Versuch, die Freiheit der Nutzer im Internet zugunsten der eigenen finanziellen Interessen einzuschränken", erklärte Markus Drenger von der AG Netzpolitik der Piraten. Netzneutralität müsse dagegen gesetzlich festgeschrieben werden. "Die Netzbetreiber sollen nicht darüber entscheiden können, welche Internetseiten ihre Kunden nutzen können und welche nicht. Netzneutralität gewährleistet einen freien Wettbewerb zwischen den Anbietern im Internet und sorgt so für Innovation und wirtschaftliche Entwicklung."

Daten-Obergrenzen sind nicht nur ein Telekom-Thema. So hat Kabel Deutschland in seinem Kleingedruckten auch eine Volumenklausel. "Lädt ein Kunde an einem Kalendertag ein Gesamtdatenvolumen von mehr als 10 GB herunter, ist Kabel Deutschland berechtigt, die ihm zur Verfügung stehende Übertragungsgeschwindigkeit ausschließlich für Filesharing-Anwendungen bis zum Ablauf desselben Tages auf 100 Kbit/s zu begrenzen", heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Allerdings sind Anwendungen wie Internetsurfen, Video-Streaming oder Video-on-Demand-Angebote davon bisher ausdrücklich ausgenommen.

Derzeit greift die Tempo-Bremse erst bei 60 Gigabyte pro Tag, wie ein Sprecher des Kabelanbieters gegenüber dpa erklärte. Davon seien bisher 0,1 Prozent der Kunden betroffen gewesen. Der Netzbetreiber behält sich aber weitere Schritte vor, etwa wenn ein "derzeit nicht absehbares Nutzungsverhalten der Kunden" Veränderungen nötig mache – sprich, wenn das Datenvolumen so deutlich steigt, dass das Netz überlastet werden könnte. Änderungen der Geschäftsbedingungen seien derzeit nicht geplant. Kabel Deutschland macht mit Paketen aus Telefon, Kabel-Fernsehen und Internet der Deutschen Telekom Konkurrenz, derzeit zählt der Konzern rund 1,8 Millionen Kunden, die Internet- und Telefondienste nutzen. (uma)