Quo Vadis: Spieleentwickler skeptisch gegenüber Online-Zwang

Auf der Entwicklermesse Quo Vadis in Berlin sprachen sich namhafte Spiele-Entwickler gegen eine Gängelung der Kunden aus. Sie sind skeptisch, ob die kommende Konsolengeneration so erfolgreich wird wie die aktuelle.

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Von
  • Peter Kusenberg

Auf der Quo-Vadis-Konferenz, die vom 23. bis 25. April in Berlin statt fand, dominierte die Frage nach der Zukunft der Branche. In zahlreichen Vorträgen sprachen Expertinnen und Experten über die gravierenden Veränderungen in Vertrieb, Produktion und Monetarisierung digitaler Spiele. Auf den Podiumsveranstaltungen beschäftigten sich die Referenten vor allem mit der Frage nach den aussichtsreichsten Spiel-Plattformen, debattierten über Always-Online-Zwang, Crowd-Funding sowie die Chancen von Big-Budget-Produktionen einerseits und Independent-Games andererseits.

Auf dem Podium blickten Entwickler in die Zukunft der Spiele: Ed Fries, Alexander Piutti, Jens Begemann, Guillaume Rambourg, Arne Peters, Timo Ullmann (v.l.n.r.).

(Bild: Peter Kusenberg)

Am 21. Mai will Microsoft den Nachfolger der Xbox 360 vorstellen, der möglicherweise eine ständige Online-Verbindung verlangen wird. Guillaume Rambourg, Geschäftsführer der französischen Vertriebsplattform GOG.com sagte dazu: „Microsoft macht sich die Arbeit nicht leicht, wenn sie in die nächste Xbox eine Always-online-Technik integrieren. Ich glaube, Freiheit ist nötig, um die Midcore-Gamer zu begeistern und ihr Vertrauen zu gewinnen.“ Tim Ullmann, Chef des deutschen Spiele-Entwicklers Yager („Spec-Ops: The Line“), gab zu bedenken: „Die Idee bei Always-On, nämlich Produktpiraterie zu verhindern, ist nicht blöd. Doch was geschieht, wenn ich am Waldrand wohne, spielen möchte und kein Internet habe?“ Ullmann wies darauf hin, dass insbesondere ältere Spieler eine derartige Zwangs-Online-Technik als Gängelei empfinden könnten.

Für Ed Fries, Mitbegründer Microsoft Games Studios, ist grundsätzlich die ungehinderte Spielbarkeit entscheidend, wobei sich der langjährige Microsoft-Mitarbeiter eines Kommentars zur Always-Online-Technik enthielt: „Wenn ich 60 Dollar für Diablo 3 ausgegeben habe und es dann nicht spielen kann, dann fühle ich mich als Spieler veralbert. Für den Publisher ist ein Versagen der Technik nicht gut.“ Rambourg führte an, dass die Musikindustrie das DRM-Problem weitgehend gelöst habe und sich wieder stärker den Wünschen der potenziellen Kunden zuwende. „Die Games-Branche muss den Spieler lieben, denn der Spieler kann sich einfach entscheiden, die Spiele nicht zu kaufen, was er tun wird, wenn er kein Vertrauen zu den Anbietern hat.“

Ob die nächste Xbox überhaupt ein genügend großes Publikum findet, ist für die Branchenexperten zweifelhaft. Robert J. Wallace, Branchenveteran und aktiver Berater, sorgte sich um die Attraktivität der kommenden Spielgeräte: „Die Aufregung um die achte Konsolengeneration fehlt: Sony wirft mit der PS4-Ankündigung einen Stein in den Teich, und es gibt keine medialen Wellen.“ Für Wallace ist das iPhone das aktuell wichtigste Gerät, jedes Jahr komme ein neues Modell auf den Markt, das selbst den finanzschwächsten Entwicklern neue Möglichkeiten biete, zeitgemäße Spiele anzubieten.

„Die Menge der Big-Budget-Titel hat deutlich abgenommen, seitdem das iPhone auf dem Markt ist“, sagte Wallace. „Die meisten Triple-A-Entwickler lassen gar einen Teil ihres Teams an iOS-Versionen der Spiele für PS3 und Xbox 360 arbeiten.“ Für Wallace werden sich zunehmend mehr Entwickler von Core-Games auf iOS fokussieren und maximal Sonys Plattformen berücksichtigen. „Microsoft hat mit seinem XBLA den Anschluss verpasst: „Sie denken wohl immer noch, sie hätten mit ihrem Arcade-Shop einen umzäunten Garten wie Apple, während sie tatsächlich nur noch einen Zaun besitzen.“

Jens Begemann, Chef des Münchner Freemium-Games-Herstellers Wooga, wies auf die Bedeutung der richtigen Plattform hin: „Shooter sind nicht für die Touch-Geräte optimiert, Shooter werden auch in Zukunft auf PC und Konsole gespielt werden. Doch die direkte Form der Steuerung auf iPad & Co ist perfekt für Spiele, bei denen man Objekte verschieben oder manipulieren muss. Es gibt weltweit rund 1,4 aktive Milliarden Smartphones und 270 Millionen Tablets, die werden in den kommenden Jahren den PC als Casual-Games-Maschine ersetzen.“

Die Ausweitung der Produktion auf mehrere Plattformen ist für Yager-Mann Ullmann entscheidend: „Wenn man sich auf eine einzige Plattform beschränkt, dann geht man ein zu großes Risiko ein. Die mobilen Plattformen werden stärker, daher sollte man diese Plattformen auf jeden Fall bedienen, solange sie eine genügend große Verbreitung haben, wie etwa iOS und Android. Arne Peters, deutscher Chef des Publishers 505 Games, gab zu bedenken: „Bei der Debatte kommt eine Plattform gar nicht zu Sprache: Seit wie vielen Jahren ist der PC angeblich tot: seit 15? Und er ist heute so quicklebendig wie seit 15 Jahren.“ Peters erklärte, dass sich Vertriebstechnik und Monetarisierung auf einer Plattform ändern kann, ohne dass die Plattform grundsätzlich in Frage gestellt werde.

Als Möglichkeit der Finanzierung lobte Ed Fries das Crowdfunding. „Es ist möglich, 20 Millionen Dollar zusammen zu bekommen, damit lassen sich sogar AAA-Titel finanzieren. Ich sehe keinen Grund, an dem Potenzial von Kickstarter zu zweifeln.“ Rambourg ist skeptisch: Die Intention ist nobel, doch der Entwickler steht bei dieser Form der Finanzierung enorm unter Druck, denn er muss den Erwartungen der Investoren gerecht werden, die gleichzeitig die Kunden sind. "Wenn man das Vertrauen der Investoren enttäuscht, kann das ganze System rasch zusammen brechen.“

Jens Begemann sagte dazu: „Man muss ein Spiel machen, das herausragend ist, dann gibt es positive Mundpropaganda.“ Insbesondere prominente Entwickler wie Chris Taylor haben es einfacher, ihre Spiele via Crowdfunding zu finanzieren. „Leisure Suite Larry“-Erfinder Al Lowe, der während der Konferenz die Geschichte seiner jahrzehntelangen Entwicklerkarriere in einer unterhaltsamen Kurzfassung präsentierte, sagte: „In Las Vegas traf ich Tim Schafer, der hatte gerade binnen zwölf Stunden 800.000 Dollar via Kickstarter eingesammelt und fragte mich: Warum machst du das nicht auch so? - Und ich hab's gemacht. Doch einfach ist das nicht, man steht bei Zehntausenden Spielern in der Schuld.“ (hag)