Bundesgerichtshof: Schüler dürfen Lehrer im Internet weiter benoten

Eine Lehrerin scheiterte mit ihrer Klage gegen spickmich.de auch vor dem BGH: Die Lehrer-Bewertungen stellten Meinungsäußerungen dar, die die berufliche Tätigkeit der Klägerin betreffen, für die nicht der gleiche Schutz wie in der Privatsphäre gelte.

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Von
  • Jürgen Kuri

Schüler dürfen ihre Lehrer weiterhin im Internet benoten. Das Persönlichkeitsrecht eines Lehrers werde dadurch nicht verletzt, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Az. VI ZR 196/08). Das Gericht prüfte die Klage einer Lehrerin aus dem nordrhein-westfälischen Moers, die von Schülern im Internetportal spickmich.de bewertet worden war. Die Pädagogin, die im Unterrichtsfach Deutsch die Note 4,3 erhalten hat, sah ihr Persönlichkeitsrecht verletzt.

Die Revision der Lehrerin gegen ein Urteil der Vorinstanz, dass die Zeugnisse von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, hat der VI. Senat des Bundesgerichtshofs, der unter anderem für den Schutz des Persönlichkeitsrechts und das Datenschutzrecht zuständig ist, zurückgewiesen. Das höchste deutsche Zivilgericht hat damit erstmals über die Zulässigkeit der von Schülern im Internet abgegebenen Lehrerzensuren entschieden, es betonte aber, es handele sich "durchaus um einen Einzelfall".

Die Lehrerin, die von der Lehrergewerkschaft GEW unterstützt wird, hatte bei Gerichten der unteren Instanzen bislang keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln, die Vorinstanz im BGH-Verfahren, entschied im Sommer 2008: Die Zeugnisse sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Unter anderem, weil lediglich die "Sozialsphäre" der Lehrer betroffen sei – also ihr berufliches Wirken – und nicht etwa das deutlich stärker geschützte Privatleben.

In seiner Entscheidung folgte der BGH nun weitgehend der Ansicht der OLG-Richter: "Die Bewertungen stellen Meinungsäußerungen dar, die die berufliche Tätigkeit der Klägerin betreffen, bei der der Einzelne grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie in der Privatsphäre genießt." Im vorliegenden Fall habe der BGH "die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten trotz der fehlenden Einwilligung der Klägerin für zulässig gehalten".

Personenbezogene Daten seien zwar nicht nur klassische Daten wie Name oder Geburtsort, sondern auch Meinungsäußerungen und Beurteilungen, die sich auf eine konkrete Person bezögen. Für sie gälten grundsätzlich die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Erhebung und Speicherung von Daten ohne Einwilligung des Betroffenen sei aber auch nach dem Datenschutzgesetz etwa dann zulässig, "wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und -speicherung nicht gegeben" sei. Der BGH habe nun ein entgegenstehendes Interesse der Klägerin "nach Abwägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einerseits und des Rechts auf freien Meinungsaustausch" andererseits" für nicht gegeben erachtet.

Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof, zu der die Lehrerin nicht erschienen war, beklagte deren Anwältin Cornelie von Gierke laut dpa eine fehlende "Waffengleichheit". Über Lehrer könnten anonym Behauptungen verbreitet werden, gegen die sich Pädagogen praktisch nicht wehren könnten. Sie verwies auch auf die Gefahr der Manipulation: Die angebliche Schülerumfrage könnte die Meinung eines einzigen Schülers sein; in dem Fall hätten nur vier Schüler zur Bewertung beigetragen. Auch sah die Anwältin mit Bewertungen wie "cool" oder "menschlich" die Privatsphäre ihrer Mandantin verletzt.

Der Anwalt der drei vor Gericht erschienenen spickmich-Geschäftsführer sah hingegen erst durch das Portal die "Waffengleichheit" zwischen Schülern und Lehrern hergestellt. Angesichts von angedrohten Schulausschlüssen in verschiedenen Städten für den Fall, dass sich Schüler an dem Portal beteiligen, sei die Anonymität "sachgerecht". Auch könnten Lehrer als "Interessierte" ihre Meinung sagen. "Hier fehlt etwas die Souveränität beim Umgang mit Schülerkritik", sagte der Anwalt am Rande der Verhandlung.

Die Vorsitzende Richterin des BGH-Senats, Gerda Müller, hatte bereits zu Verhandlungsbeginn erklärt: "Der Fall wirft viele Rechtsfragen auf" – auch solche, die sich bei anderen Portalen ergeben. Betroffen sei in diesem Fall der berufliche Bereich, "in dem der einzelne sich schon Kritik gefallen lassen muss". Auch wenn der BGH von einem Einzelfall sprach, dürfte das Urteil für mögliche juristische Auseinandersetzungen um andere Bewertungsportale Bedeutung erlangen.

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(jk)