Siemens-Chef Löscher unter Zugzwang

Siemens-Chef Löscher in Nöten: Nach einem enttäuschenden Quartal muss er schon wieder die Prognose kassieren. Der neue Tiefschlag sorgt bei Aktionärsschützern für Unmut.

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Von
  • Christine Schultze
  • Stefan Bauer
  • dpa

Peter Löscher

(Bild: Siemens)

Die Serie von Rückschlägen bei Siemens bringt Konzernchef Peter Löscher weiter in Bedrängnis. Schon das zweite Jahr in Folge musste Löscher am Donnerstag die Ziele für das laufende Jahr senken. Und die Risiken fürs Geschäft sind angesichts der Konjunkturflaute und anhaltender Belastungen aus Pannen–Projekten längst nicht gebannt. An den Kapitalmärkten dürfte das nicht gerade für Vertrauen sorgen. "Es gefällt mir nicht, wenn die Prognosen permanent verfehlt werden", sagt Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Löscher müsse jetzt zumindest die nach unten korrigierten Gewinnerwartungen erfüllen – ohne Wenn und Aber, fordert die Aktionärsschützerin.

Siemens hat die Schwierigkeiten beim Installieren von Windkraftanlagen auf hoher See unterschätzt.

(Bild: Siemens)

Es sind vor allem hausgemachte Probleme, die schwer auf dem Siemens–Zahlenwerk lasten. Der missglückte Anschluss von Windparks auf hoher See etwa, an dem sich Siemens kräftig verhoben hatte. Mehrfach hatte Löscher hier selbstkritisch eingeräumt, dass man die Komplexität der Projekte unterschätzt und zu viele Aufträge in die Bücher genommen habe. Ähnlich sieht es bei milliardenschweren Aufträgen für Hochgeschwindigkeitszüge aus. Hier sieht sich Siemens zwar auch durch die Zulassungsbehörden ausgebremst, doch knirscht es auch intern, wie Löscher zugibt: Siemens brauche viel zu viele Ingenieursstunden für die Entwicklung der Züge, sagt der Konzernchef.

Auch bei den Akquisitionen hat der Österreicher seit seinem Amtsantritt im Jahr 2007 kein glückliches Händchen bewiesen. Schlagendes Beispiel ist die einst von Siemens gefeierte Übernahme des israelischen Solarunternehmens Solel, das zum grünen Image des Konzerns beitragen sollte, mittlerweile aber zu einem der größten Sorgenkinder geworden ist. Auch in diesem Jahr werden die Probleme in der Solarsparte kräftig aufs Ergebnis drücken.

Auch bei der Entwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen hapert es.

(Bild: Siemens)

Das eigentliche Tagesgeschäft kann da fast in den Hintergrund rücken. Doch auch hier läuft es zurzeit nicht überall rund für Siemens. Probleme bereiten vor allem konjunktursensible Geschäftsfelder wie die Industrieautomatisierung und die Antriebskomponenten. Traditionell halten sich die Kunden hier mit Bestellungen zurück, sobald ein Konjunkturtief aufzieht. Im zweiten Quartal machte Siemens die Flaute nicht nur in Deutschland und den USA, sondern auch in China zu schaffen. "Der Welt fehlt ein Wachstumsmotor", lautet Löschers tristes Fazit.

Mit dieser Situation müssen allerdings auch Siemens–Rivalen wie General Electric (GE) und Philips klarkommen, doch schlugen sie sich zuletzt deutlich besser als Siemens. So hielten die Unternehmen ihre Umsätze nahezu stabil. Während das US–Unternehmen GE die starke Verankerung im Heimatmarkt und das dort boomende Geschäft mit der Energiewirtschaft hilft, zahlt sich bei Philips ein bereits länger laufendes Sparprogramm aus. Zudem schlagen bei den beiden keine Sonderlasten in größerem Ausmaß auf die Bilanz durch.

Wegen der anhaltenden Pannenserie hatte es bereits in den vergangenen Monaten immer wieder Spekulationen darüber gegeben, wie lange sich Löscher noch an der Konzernspitze halten kann. Als sein größter Fürsprecher gilt Chefkontrolleur Gerhard Cromme, der den ehemaligen Pharmamanager Löscher einst selbst an die Siemens-Spitze geholt hatte. Seit seinem Rückzug vom Aufsichtsratsvorsitz beim Stahlkonzern ThyssenKrupp gilt der 70-jährige Cromme aber selbst als geschwächt. Das schlechte Quartal dürfte Löscher nun weiter unter Zugzwang bringen, nicht zuletzt bei den Anlegern. "Es muss endlich klar sein, dass die Geduld endlich ist", sagt Aktionärsschützerin Bergdolt. (mho)