Krieg mit Bausätzen

Das mache wir jetzt mal selbst – auch den Krieg. Mit der ersten funktionierenden Handfeuerwaffe aus dem 3D-Drucker stellt sich der Do-it-Yourself-Bewegung unversehens die Frage: Wer übernimmt die Verantwortung?

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Von
  • Robert Thielicke

Das mache wir jetzt mal selbst – auch den Krieg. Mit der ersten funktionierenden Handfeuerwaffe aus dem 3D-Drucker stellt sich der Do-it-Yourself-Bewegung unversehens die Frage: Wer übernimmt die Verantwortung?

Die Organisation Defense Distributed stellte den Bausatz kürzlich online, nun kann die Waffe „The Liberator“ jeder herstellen, der über einen leistungsfähigen 3D-Drucker verfügt. Das sind zum Glück nicht viele. Noch kann der Besitzer zudem nur einen Schuss abfeuern. Aber das dürfte sich in Zukunft genauso ändern wie die vergleichsweise hohen Kosten, die Waffe auszudrucken.

Selbst in den notorisch waffenfreundlichen USA bewegen sich die Designer des Tötungsgeräts an der Grenze der Legalität. Trotzdem lässt sich konstatieren: Sie haben nicht nur eine Technologie demokratisiert, sondern das Kriegshandwerk gleich mit. Billige Kalaschnikows gibt es zwar schon lange. Nun aber zeichnet sich eine neue Dimension ab. Denn mit den online verfügbaren Bausätzen wandert der Waffenhandel in Internet. Er wird digital. So wie heute Terroristen ihre Bombenbauanleitung im Web finden, wird bald jeder Milizenführer sein Arsenal selbst ausdrucken können. Und die Kugeln gleich mit. Ob nun in zehn oder zwanzig Jahren, ist nicht entscheidend.

Dass jede technologische Entwicklung ihre Schattenseiten hat, ist eine Binsenweisheit. Niemand kann deshalb überrascht sein, dass auch die Maker-Bewegung perverse Auswüchse besitzt. Dahinter verbirgt sich allerdings ein Aspekt, der weit über eine Plastikwaffe und auch über die Do-it-Yourself-Bewegung hinausreicht: Wer steht dafür ein, wenn etwas falsch läuft? Die Fortschritte in der Wissenschaft demokratisieren vormals exklusive Technologien, aber gleichzeitig demokratisieren sie auch die Verantwortung für ihre Folgen.

Seit jeder über Facebook und Konsorten sein Profil ins Netz stellen kann, sind es nicht mehr Firmen oder Behörden, die Verantwortung für unsere Daten besitzen. Wir sind es selbst.

Wenn sich Bürger künftig Solarpaneele aufs Dach schrauben und Akkus in den Keller stellen, ist es eben nicht mehr ein Konzern, der für die Sicherheit der Stromversorgung einsteht. Sondern jeder Einzelne.

Wenn jeder künftig selbst sein Genom analysieren kann, ist es nicht mehr nur der Medizinbetrieb, der über eine Therapie entscheidet. Das machen wir – zumindest immer häufiger.

Und wenn Schusswaffen im Hobbykeller entstehen, sind es nicht mehr nur Rüstungskonzerne und Politiker, die über Krieg und Frieden entscheiden. Wir tun es ebenso.

Vorbereitet ist die Gesellschaft darauf nicht. Die große Frage ist daher: Wie wollen wir mit diesem Zuwachs an Verantwortung umgehen? Welche Regeln sollen fortan gelten? Bei Waffen mag die Antwort noch einfach sein. Wer sie unrechtmäßig herstellt oder verkauft, wird bestraft. Wie schwer es in vielen anderen Bereichen wird, zeigen die anhaltenden Debatten um die Gendiagnostik. Noch deutlicher wird es beim heftigen Streit um den Datenschutz und erst recht beim Thema dezentrale Energieproduktion. Eine Millionen Privaterzeuger lassen sich nicht in das gleiche Raster pressen wie ein einzelner Kraftwerkskonzern. Aber in welches Muster dann? Es zu finden, wird eine der großen Herausforderung der nächsten Jahre sein. (rot)