Telekom-Chef: Flatrate-Kappung für Netzausbau

Im Rahmen der Vorstellung ihrer Geschäftszahlen verteidigte die Telekom erneut die neuen Tarif-Bedingungen, die eine Flatrate-Kappung vorsehen. Erstmals nannte Telekom-Chef René Obermann Preisvorstellungen für zusätzliches Datenvolumen.

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Von
  • Jürgen Kuri
Flatrate-Kappung und Netzneutralität

Seit dem 2. Mai sieht die Telekom Volumengrenzen für ihre Internet-Flatrates vor. Begründung: Das Datenvolumen steigt, der Ausbau der Netze kostet Geld, nur wenige User erzeugten einen großen Anteil am Traffic. Kritik wurde schnell laut: Die Backbones hätten bei weitem genug Kapazität auch für steigende Datenvolumen. Und die Telekom bevorzuge eigene Angebote wie den IPTV-Dienst Entertain oder von Partnern wie Spotify. Die Telekom zielt mit dem Übergang zu Next Generation Networks (NGN) darauf ab, aus dem "Best-Effort"-Internet eine Ansammlung von "Managed Services" zu machen, die ihr Kontrolle und Monetarisierung ermöglichen.

Telekom-Kunden mit großem Datenverbrauch müssen sich in den kommende Jahren voraussichtlich auf monatliche Zusatzkosten von 10 bis 20 Euro für ihre Flatrate einstellen. Das kündigte Konzernchef René Obermann am Mittwoch bei der Vorlage der Zwischenbilanz für das erste Quartal 2013 an. Er betonte aber, dass ein genauer Preis zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar sei. "Wir wollen auch in Zukunft Flatrates anbieten." Es könne aber nicht stetig fallende Preise bei immer höherer Leistung und unbegrenztem Datenvolumen geben. Den von vielen Seiten kritisierten Plan, monatliche Daten-Obergrenzen einzuführen, verteidigte Obermann laut dpa erneut: "Dass wir nicht nur mit Lob überschüttet werden, war klar. Wir ignorieren die Kritik nicht."

Der Telekom-Chef verwies auf den rasanten Anstieg der Datenmengen und die Milliarden-Ausgaben für den Ausbau der Netze sowie den harten Wettbewerb der Branche. Bis 2016 sollen rund sechs Milliarden Euro in das Festnetz investiert werden. "Wir müssen und wollen die Investitionen zurückverdienen." Telekom-Deutschlandchef Niek Jan van Damme betonte, dass die geplante Preisdifferenzierung im Sinne aller Kunden sei und sagte: "Jeder der den Wasserhahn laufen lässt, muss dafür bezahlen."

Die Telekom hatte am 2. Mai zunächst für Neukunden monatliche Daten-Obergrenzen für Festnetz-Flatrates eingeführt, ab denen die Internet-Geschwindigkeit drastisch gedrosselt werden darf. Die Tempo-Bremse soll frühestens im Jahr 2016 greifen. Die von der Telekom geplanten Obergrenzen für den monatlichen Datenverkehr bei Festnetz-Flatrates werden dann spätestens ab 2018 alle DSL-Kunden treffen. Dann sollen alle ISDN- und Analog-Festnetzanschlüsse auf IP-Anschlüsse umgestellt werden, die Kunden müssen dann auch die neuen Geschäftsbedingungen akzeptieren.

Kritik an der Telekom-Argumentation mit der Netzauslastung wurde aber bereits recht bald nach der Ankündigung laut. So kritisierten Firmen wie der Router-Hersteller Viprinet: "Die Begründung, dass die Drosselung eingeführt werde, damit die Backbones nicht überlastet werden, ist hanebüchen. In Deutschland gibt es gigantische Backbone-Überkapazitäten; Datenverkehr in diesem Rückgrat des Internets ist zu Spottpreisen zu realisieren." Außerdem bemängelte etwa der Provider-Verband eco die Flatrate-Kappung, da jeder User beständig darauf achten müsse, welches Download-Volumen er produziere: Dies beeinflusse das Surfverhalten und stelle einen Rückfall in die Frühzeit des Netzes dar.

Der zentrale Vorwurf gegen das Vorhaben der Telekom richtet sich aber mittlerweile gar nicht gegen höhere Kosten für höhere Datenvolumen, sondern gegen den Angriff auf das "Best-Effort"-Internet, das mit der Flatrate-Kappung verbunden ist. Denn Telekom-Dienste wie das IPTV-Angebot Entertain im Gegensatz zu konkurrierenden Diensten von der Volumenbegrenzung befreit. Obermann hatte damit argumentiert, dass das IPTV-Angebot Entertain als "Managed Service" nicht als regulärer Internerverkehr betrachtet werden könne und daher die Herausrechnung des Telekom-IPTV-Datenaufkommens aus der Volumenobergrenze keine Verletzung der Netzneutralität darstelle. Das Telekom-IPTV-Angebot Entertain sei kein typischer Internet-Dienst, sondern eine von den Landesmedienanstalten durchregulierte separate Fernseh- und Medienplattform, für die die Kunden ein zusätzliches Entgelt bezahlten. Entertain sei damit eine Ausnahme, weil es ein "Managed Service" sei, bei dem der Konzern die Qualität garantiere.

Auf der Internet-Konferenz re:publica, die mit einem Aufruf zum "Kampf um die Netzneutralität" startete, war dies unter anderem dahingehend in Frage gestellt worden, ob so mittelfristig nicht die vielbeschworenen "Managed Services" der Telekom mit besserer Qualitätsklasse der Standard werden sollten. Der Netzbetreiber werde sicher "Tricks" finden, um "die Leute rüberzuziehen", meinte der Schweizer Rechtsanwalt Simon Schlauri. Vom Tarifumbau sei das Prinzip des offenen Internets zudem doch betroffen, da es dabei auch um den Marktzugang kleiner Unternehmen gehe, die große Datenmengen erreichten.

Solche "Managed Services", die die herkömmlichen Datenströme ersetzen, sind zudem das eigentliche Ziel von Carriern wie der Telekom, das sie mit den sogenannten Next Generation Networks (NGN) und ihrem IP Multimedia Subsystem erreichen wollen. Auf IP-Basis wird aus dem "Best-Effort"-Internet damit eine Ansammlung von "Managed Services" unter Kontrolle der Carrier. Diese stehen dann zur weiteren Monetarisierung zur Verfügung. Jeder Traffic-Typ, ob es sich nun beispielsweise um Datenverkehr zu Webseiten, Musikstreaming oder Videotransfers handelt, ist dann jeweils nur eine bestimmte Ausprägung eines "Managed Service" im NGN. Von einem Best-Effort-Netz wie dem Internet, in dem alle Daten unterschiedlos auf dem bestmöglichen Weg transportiert werden, sind solche Next Generation Networks weit entfernt – und die Argumentation, Entertain sei ein spezieller Dienst, der mit dem Internet nichts zu tun habe, wäre hinfällig. (jk)