Streik bei Amazon: Gewerkschaft spricht von Erfolg

Der Konflikt bei Amazon eskaliert: An zwei deutschen Standorten streikten Hunderte Beschäftigte den ganzen Tag. Verdi glaubt, den Internet-Versandriesen empfindlich treffen zu können. Amazon betont: Die Kunden werden rechtzeitig beliefert.

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  • dpa

Blick in ein Versandzentrum von Amazon.

(Bild: dpa, Amazon)

Beim weltgrößten Internet-Versandhändler Amazon wurde erstmals in Deutschland gestreikt. Am größten deutschen Standort im hessischen Bad Hersfeld beteiligten sich am Dienstag 1100 Mitarbeiter und in Leipzig 600 Teilnehmer, wie die Gewerkschaft Verdi  mitteilte. Verdi hatte zu einer ganztägigen Protestaktion mit Beginn der Frühschicht ab 6.00 Uhr bis zum Ende der Spätschicht aufgerufen. Am heutigen Mittwoch soll der Arbeitsalltag zwar normal weitergehen. Weitere Streiks seien aber fest eingeplant.

Hintergrund des Ausstands ist Verdi zufolge die Forderung nach einem Tarifvertrag nach den Konditionen des Einzel- und Versandhandels. Diesen lehnt Amazon ab. Das Unternehmen orientiert sich an der Bezahlung der Logistikbranche. Verdi fordert Verhandlungen und rechnet nicht mit einem schnelle Einlenken von Amazon. Das Unternehmen sieht derzeit "keine gemeinsame Basis".

Verdi-Streikleiter Heiner Reimann sagte in Bad Hersfeld, Verbraucher müssten damit rechnen, Bestellungen später als üblich zu erhalten. Dieser Einschätzung widersprach Amazon: "Derzeit erwarten wir keine Auswirkungen auf die Auslieferung an Kunden. Es gibt keine Verspätungen", sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Das Unternehmen habe schließlich acht Logistikzentren und 9000 Beschäftigte in Deutschland. In Bad Hersfeld sind mehr als 3300, in Leipzig 2000 Menschen bei Amazon beschäftigt.

Verdi wertete den Streik als Erfolg: "Wir sind mit dem Auftakt sehr zufrieden und stellen uns auf eine längere Auseinandersetzung ein", sagte Reimann. Wann der Streik fortgesetzt wird, ließ er offen. "Wir können das über viele Wochen durchziehen." Der eintägige Streik sei ein Signal an die Arbeitgeber, dass man es ernst meine, sagte Verdi-Bereichsleiter Jörg Lauenroth-Mago in Leipzig. Auch er nannte keinen neuen Streiktermin. "Von den Reaktionen der Amazon-Geschäftsführung machen wir unsere nächsten Aktionen abhängig", sagte der Gewerkschafter.

Verdi will für die Beschäftigten ein tarifliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Nachtarbeitszuschläge, Sonn- und Feiertagszuschläge, wie sie in der Branche üblich seien. Es sei nicht akzeptabel, dass Amazon als der größte Online-Versandhändler keiner Tarifbindung unterliege.

Amazon lehnt den Tarifvertrag ab und argumentiert: "Amazons Versandzentren sind Logistikunternehmen, die Kundenbestellungen ausführen. Mitarbeiter der deutschen Logistikzentren liegen mit ihrem Einkommen am oberen Ende dessen, was in der Logistikindustrie üblich ist." Bei den Standorten handele es sich um ein reine Versandzentren. "Unsere Mitarbeiter dort leisten logistische Tätigkeiten - Kommissionierung, Verpackung und Versendung von Waren."

Der Geschäftsführer von Amazon Deutschland, Ralf Kleber, sagte Spiegel Online, es gebe "überhaupt keine Basis", um über einen Tarif oder eine Tarifpartnerschaft mit Verdi nachzudenken. Das hauseigene Bezahlsystem sei attraktiver als der Tarifvertrag. "Wir binden unsere Mitarbeiter in den Unternehmenserfolg ein, wir zahlen zusätzliche Boni, und wir zahlen im Vergleich zu anderen Unternehmen der Logistikbranche bereits am oberen Ende." Vorwürfe, wonach am Standort Bad Hersfeld 2000 der rund 3300 Beschäftigten nur befristete Verträge hätten, seien "schlicht falsch", sagte Kleber. Vielmehr stünden dort mehr als 85 Prozent der Mitarbeiter in unbefristeten Arbeitsverhältnissen.

Der hessische Verdi-Landesbezirksleiter Jürgen Bothner rief die zur Kundgebung in der Bad Hersfelder Innenstadt erschienenen Streikenden dazu auf, für den Tarifvertrag zu kämpfen: "Wer den Kopf in den Sand steckt, der sieht nicht, von wem er in den Arsch getreten wird." Amazon hoffe, dass die Beschäftigten aus Angst um ihre Arbeitsplätze alles hinnähmen. Dem Unternehmen warf er vor, auf Zeit zu spielen, weil es mit dem derzeitigen Gehaltsmodell auf dem Rücken der Beschäftigten Geld spare. Dabei gehe es Amazon wirtschaftlich gut, der Umsatz zuletzt stark gestiegen.

Das in der Öffentlichkeit eher zurückhaltende amerikanische Unternehmen stand zuletzt mehrfach in den Schlagzeilen: Zu Jahresbeginn war Amazon in Deutschland wegen der Behandlung von Leiharbeitern in die Kritik geraten. Auslöser war eine TV-Dokumentation. (jk)