Streit um die Kontrolle des Internet

Auf zwei Konferenzen zum Thema kamen unterschiedliche Visionen zum Vorschein, wie sich Internet-Domänen künftig mit oder ohne Beteiligung von Landesregierungen verwalten lassen sollen

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Von
  • Monika Ermert

Das Internet Governance Forum (IGF) müsse als Alternativmodell zu regierungslastigen Konferenzen wie dem am Donnerstag in Genf zu Ende gegangenen World Telecom Policy Forum (WTPF) der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) gestärkt werden, erklärte Paul Wilson, Vorsitzender der der Numbers Resource Organisation (NRO) am gestrigen Freitag auf dem RIPE-Treffen in Dublin. Die NRO ist der Dachverband der regionalen IP-Register (RIR). Die fünf NRO-Mitglieder haben im Jahr 2013 100.000 US-Dollar für das IGF gespendet.

Das WTPF, auf dem erneut eine gestärkte Rolle von Regierungen in Selbstregulierungsorganisationen wie RIRs und Domainverwaltung zur Sprache kam, sorgte in Dublin für viel Kritik, auch von Seiten der beim RIPE aktiven Regierungsvertreter. Constanze Bürger vom Bundesinnenministerium in Berlin appellierte an ihre EU-Kollegen, sich grundsätzlich darüber zu verständigen, wie man den Angriffen auf die Selbstregulierung in Zukunft begegnen wolle.

Vertreter des Wirtschaftsministeriums hatten beim WTPF in Genf einen erst im Laufe der Konferenz eingebrachten Vorschlag Brasiliens abgelehnt, das die ITU als Mittler bei einer stärkeren Regierungsbeteiligung in den Selbstverwaltungen etablieren wollte. Auf Seiten vieler Schwellen- und Entwicklungsländer gibt es Vorbehalte gegen die aus ihrer Sicht von den USA und Industriestaaten dominierten Selbstverwalter.

Tahar Schaa, der ein Gutachten zum WTPF-Bericht des ITU-Generalsektretärs für das Wirtschaftsministerium erstellt hatte, rief auch die Registrierer auf, sich stärker gegen die Vereinnahmung durch die ITU zur Wehr zu setzten. Die ITU mache sich geschickt die von den ihnen vorgelegten Analysen des IP-Adresssystems zu eigen, um sich als Problemlöser anzubieten. Beim WTPF in Genf wurden alle sechs vorab ausgehandelten Empfehlungen verabschiedet, darunter sich auch zwei, die die stärkere Förderung von IPv6 betreffen. Die IP-Adressverwalter begrüßen mehr staatliche Aufmerksamkeit für IPv6 durchaus, fürchten gleichzeitig jedoch Ideen, die ITU als sechstes RIR zu verankern. Eine dadurch erleichterte freundliche Übernahme ist aus Sicht der RIRs nicht weniger bedrohlich als die in den vergangenen Jahren manchmal befürchtete feindliche.

Ein weiteres RIR, für die arabische Region, hatten kürzlich die Vereinigten Arabischen Emirate vorgschlagen. Ein solches Register sei zwar denkbar, sagte Paul Rendek, der als Chef External Relations das RIPE NCC in Dubai vertritt. Auch die RIRs Afrinic und Lacnic sind in den vergangenen Jahren nach ähnlichen Anregungen entstanden. Der Vorschlag sollte allerdings von den Mitgliederin im Nahen Osten kommen, und nicht von Regierungen – das sei die Kernidee privater Selbstverwaltung. (hps)