Exoskelett für jedermann

Ein indischer Ingenieur hat eine neuartige elektronische Gehhilfe konstruiert.

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Wird der Rollstuhl überflüssig? Der junge indische Ingenieur S.T.M. Veerabahu hat jetzt eine elektronische Gehhilfe konstruiert, die konkurrierende Modelle in den Schatten stellen soll, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Juni-Ausgabe (am Kiosk oder online bestellbar). "Gehbehinderte können damit wieder laufen, klettern und sitzen", verspricht der Forscher von der Anna University in Chennai (Bundesstaat Tamil Nadu). "Meine Innovation ist leichter steuerbar als andere – und vor allem preiswerter."

Mehrere Firmen weltweit arbeiten an Roboteranzügen für Gehbehinderte mit Parkinson-Krankheit, Unfallopfer oder Patienten mit multipler Sklerose. Darüber hinaus sollen sich künftig auch gesunde Menschen mit maschineller Unterstützung fortbewegen – etwa zur Entlastung im Alltag bei altersbedingter Schwäche. Exoskelette bewegen die Glieder passiv. Servomotoren, meist an der Hüfte und den Knien, setzen die robotische Hülle in Gang. Der Befehl dazu wird auf verschiedene Art übertragen; durch das Vorbeugen des Rumpfes oder über einen Joystick, den man von Hand bedient.

Besonders ausgeklügelt: Elektroden messen elektrische Restfunktionen, die vielen Gelähmten noch geblieben sind. Die feinen Reize signalisieren, wenn der Gelähmte die Beine bewegen will. Dann steuert ein Minicomputer den entsprechenden Motor. Dieses japanische Modell "HAL" (Abkürzung von "hybrid assistive limb") soll später sogar über die Steuerung mit Hirnströmen funktionieren. Elektroden am Kopf würden Gedanken auslesen. Das Gehirn produziert ein spezifisches elektrisches Signal, auf das die entsprechenden Motoren reagieren. So faszinierend derartige Ansätze sind, sie besitzen einen großen Nachteil: Sie sind zu komplex, teuer und fehleranfällig, als dass sie für den alltäglichen Gebrauch geeignet wären. Veerabahu schwebt daher ein "Exoskelett für zu Hause" vor, das sich nahezu jeder leisten kann – wie einen Motorroller. "Dazu verzichte ich bewusst auf jede komplizierte bioelektrische Verbindung zum Träger des Exoskeletts", betont der Forscher.

Veerabahus Sparmodell wird mit vier Riemen um den Körper geschnallt. Gesteuert wird der robotische Anzug mit Befehlen über einen Joystick und einen Touchscreen. Die Elektronik dafür ist so robust und einfach programmiert, dass Computerfehler oder gar ein Systemabsturz weitgehend ausgeschlossen sind, erklärt der Forscher. Er hat auch ein Modell für Patienten entwickelt, die noch über Restfunktionen der Körperbewegung verfügen. "Bei diesem Exoskelett wird die Absicht zu gehen durch ein Vorbeugen des Rumpfes vermittelt", so Veerabahu. Zwei Krücken dienen zusätzlich der Stabilität.

"Dieses Exoskelett", so der Forscher, "ist leichter zu bedienen als andere Modelle – und außerdem preiswerter." Mit umgerechnet 1500 Euro kostet es so viel wie in Indien ein Elektro-Rollstuhl. "Vergleichbare Exosekelette sind bis zu 60-mal so teuer." Veerabahu hofft, dass man mit seinem Laufroboter "eines Tages einkaufen oder zur Arbeit gehen kann". Auch Gesunde sollen von sei- ner Innovation profitieren, etwa Fabrikarbeiter, die schwere Lasten heben müssen. Dank Exoskelett können sie kräftiger und ausdauernder zupacken. Noch fehlen Veerabahu allerdings Investoren für die Vermarktung seiner Entwicklung. (Joseph Scheppach) / (bsc)