Critical Communications World 2013: LTE und Android in der Blaulicht-Kommunikation

Auf der Leitmesse zeigten in Paris Kommunikationsausrüster für Polizei, Feuerwehr und Militär neue Technik für den Einsatz. Zu sehen war auch das Polizeiauto der Zukunft.

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Von
  • Detlef Borchers

Am Freitag ging die Critical Communications World 2013 in Paris zu Ende. Die CCW, Leitmesse der Kommunikationsausrüster für Polizei, Militär, Feuerwehr und Rettungsdienste startete einst als TETRA World, doch diese Funktechnik interessierte nur am Rande. Die Verschmelzung von LTE-Funknetzen mit TETRA-, Tetrapol oder PMR-Betriebsfunknetzen war das dominierende Thema der CCW. Etliche Hersteller stellten zudem besonders sichere Android-Smartphones für den harten Polizeieinsatz. Auch der Einsatz von Google Glasses bei der Polizei wurde in ersten Konzeptstudien gezeigt.

Tom Quirke, Chef-Manager von Motorola Solutions, gab sich in Paris davon überzeugt, dass "Proactive Policing Strategies" mit der Auswertung von Videos, Fotos und Daten die Arbeit der Blaulichtbehörden verändern wird. In sicheren Städten wie Singapur, wo Motorola aktuell 42.000 Streifenpolizisten mit neuen Funkgeräten ausstattet, könne die Zahl der Delikte um 38 Prozent gesenkt werden. Nach einer von Quirke zitierten Studie sollen sich 90 Prozent aller Straftäter für schuldig bekennen, wenn ihnen ein Videobeweis ihrer Taten präsentiert wird.

Das vernetzte Polizeivehikel der Zukunft ...

(Bild: Detlef Borchers )

Dementsprechend ist es nur eine Frage der Zeit, bis im Namen der Sicherheit separate LTE-Netze für die Behörden mit Ordnungsaufgaben installiert werden oder öffentliche Netze in Krisensituationen beschlagnahmt werden. Für Ausrüster wie Motorola bietet LTE die Chance, neue Basisstationen in die bestehende Infrastruktur zu verkaufen, bis hin zu Polizeiwagen als fahrende LTE-Hubs. In Paris stellte Motorola die neue Basisstation MTS4L vor, die eine LTE-Aufrüstung ermöglicht, ohne dass der TETRA-Funk unterbrochen werden muss.

Auf Mercedes-Basis demonstrierte das Unternehmen überdies das "vernetzte Polizeifahrzeug" mit Rundum-Kameratechnik und leistungsstarkem LTE-Hub sowie mit dem AME 2000 ein Smartphone auf Android-Basis für "Assured Mobile Environments". Für das unlängst vorgestellte Foto-Funkgerät MTP 6750 präsentierte Motorola einen überraschenden Kunden der ersten Stunde: Die dänischen Notärzte und Rettungssanitäter auf Seeland bekommen solche Funken, um am Unfallort oder Tatort Bilder aufnehmen zu können, die in einer medizinischen Dokumentationsakte gespeichert werden.

... hat kein Reserverad ...

(Bild: Detlef Borchers )

LTE wurde auch bei Thales groß gefeiert. Wie in Paris bekannt wurde, sicherte sich die Firma einen Auftrag der jordanischen Regierung, ein LTE-Testnetz für die Polizei und das Militär zu errichten. Noch zukunfts- und prestigeträchtiger ist der Zuschlag, den sich Thales bei der ALTEA-Studie sichern konnte (Analyse de la norme LTE et son exploitation au sein des forces Armées). Zehn Monate wird ein Team von Experten untersuchen, wie das Militär zu Land, Luft und See LTE als Netz benutzen kann, das auch bei Extremeinsätzen wie in Mali ausfallsicher funktionieren muss.

An Hardware zeigte Thales den in Zusammenarbeit mit den Technologiepartnern Cisco und Nokia Siemens Networks entwickelten Nexium-Router für die Integration von LTE und PMR-Funk sowie das TeSquad, ein robustes LTE-Smartphone für den Außeneinsatz, das über Sicherheitsfeatures wie Verschlüsselung, Notrufknopf und Totmannfunktion verfügt. Ist kein LTE-Funk verfügbar, soll sich das TeSquad in kommerzielle Netze einwählen können. Schließlich stellte Thales die Entwicklungsumgebung Teopad vor, mit der jedes Android-Smartphone um Funktionen für die sichere Blaulichtkommunkation erweitert werden kann.

Cassidian, die EADS-Tochterfirma für Sicherheits- und Militärtechnik will sich ähnlich wie Thales auf das verschmelzen von PMR-Funk und LTE konzentrieren, dabei aber auch seine TETRA- und Tetrapol-Angebote fortentwickeln. Mit Claricor 3 präsentierte das Unternehmen in Paris ein Komplettpaket für kleine TETRA-Netze, die dank der TEDS-Datenübertragung ideal geeignet sein sollen, Daten sicher in SCADA-Systemen zu verteilen. Gezeigt wurde ferner das derzeit kleinste TETRA-Funkgerät TH1n und der Breitband-Router BVR 700 für den Einbau in Einsatzfahrzeugen. Das System soll automatisch die beste verfügbare Funktechnik aussuchen, etwa LTE, WiFi oder UMTS. Mit Blue Light Mobile präsentierte die EADS-Tochter Astrium den umgekehrten Weg, sie will das belgische TETRA-Behördenfunknetz ASTRID um ein 3G-Funknetz erweitern.

... und sieht so aus.

(Bild: Detlef Borchers )

Trotz all der LTE-Euphorie auf der CCW sollte nicht vergessen werden, dass die Bestückung mit TETRA-Funksystemen nach wie vor lukrativ ist. Nach Auskunft von Phil Kirchner von der TETRA World Association war 2012 das erfolgreichste Geschäftsjahr aller Zeiten mit einer Wachstumsrate von 12 Prozent. Als Newcomer präsentierte sich die österreichische Kapsch CarrierCom, die in Kooperation mit der niederländischen Rohill ans Werk geht. Rohill hatte wiederum mit "LTEtraNode" seine Aufgaben gemacht und präsentierte eine Basisstation, die auch als LTE-Hub betrieben werden kann.

Während der Polizeiwagen der Zukunft in Paris gezeigt wurde, ist der entsprechend ausgerüstete Polizist der Zukunft noch mehr Konzept denn Realität. Bei Motorola wurde ein Brillen-Dummy präsentiert, das eng an Google Glasses angelehnt erschien. Zepcam zeigte eine Reihe von Kleinstkameras die Streifenpolizisten zur Dokumentation am Körper tragen können. Nach Angaben der Firma sollen 600 niederländische Polizisten mit dem System unterwegs sein, das den Videostream auf einem kleinen Taschenmodul T1 puffert. Auch bei einigen Verkehrsbetrieben sind Kleinstkameras im Einsatz, um die Sicherheit der Fahrkarten-Kontrolleure zu verbessern. Fragen nach der gesellschaftlichen Wirkung dieser mobilen persönlichen Videoüberwachung stellten sich in Paris nicht.

Die Reise zur CCW wurde von Motorola Solutions gesponsert. (dbe)