Operation "Himmel": Durchsuchung rechtswidrig

Eine im Rahmen der groß angelegten Kinderporno-Ermittlungsaktion "Himmel" mit 12.000 Verdächtigen durchgeführte Durchsuchung und Beschlagnahmung ist laut Entscheidung des Landgerichts Aachen rechtswidrig, weil kein Anfangsverdacht bestanden habe.

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Das Landgericht Aachen hat die Durchsuchung der Wohnung eines im Rahmen der breit angelegten Kinderporno-Ermittlungsaktion "Himmel" Beschuldigten für rechtswidrig erklärt. Mit Beschluss vom 8. Juli gab die 8. große Strafkammer einer Beschwerde des Beschuldigten statt (Az. 68 Qs 56/08). Das Gericht stellte fest, "dass die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung bei dem Beschuldigten [...] rechtswidrig waren". Der angefochtene Beschluss wurde rückwirkend aufgehoben. Die beschlagnahmten Computer müssen nun unausgewertet zurückgegeben werden. Die Verfahrenskosten trägt der Staat.

Die von der Berliner Staatsanwaltschaft ausgehende Operation "Himmel" gegen mutmaßliche Kinderporno-Konsumenten hatte zum Weihnachtsfest 2007 für Schlagzeilen gesorgt. Auf Hinweis eines Berliner Internet-Providers waren Ermittlungen gegen tausende Personen angelaufen, über deren IP-Adresse eine Handvoll kinderpornografischer Bilder über ein Pop-up-Fenster aufgerufen worden war. Rund 12.000 Verdächtige sollen dabei ins Visier der Ermittler geraten sein. Bei Staatsanwaltschaften quer durch die Republik liefen die Verfahren auf, was eine umfassende Bilanz der Operation bisher erschwert.

Doch nicht alle Staatsanwälte wollten sich den Jubelmeldungen über einen schweren Schlag gegen Kinderpornografie anschließen. Ermittler klagten über schwache Fälle; die Kölner Staatsanwaltschaft stellte alle in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgelaufenen Verfahren ein. Die Kritik richtet sich dabei gegen die von den Berliner Behörden vorgebrachten Indizien. Zahlreichen Verdächtigen war anhand der Logfiles des Providers nur eine kurze Verweildauer auf der inkriminierten Website nachzuweisen – für einige Staatsanwaltschaften Grund genug, von einem Zufall auszugehen und die Sache zu den Akten zu legen.

Das hätte nach Meinung der Aachener Richter auch im vorliegenden Fall passieren sollen. Zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung durch das Amtsgericht Aachen habe gegen den Beschuldigten "kein Anfangsverdacht" gemäß §§ 102, 105 der Strafprozessordnung bestanden, moniert das Landgericht. Es fehle an Tatsachen, die konkrete Verdachtsgründe hätten begründen können. "Auf der Grundlage von bloßen Vermutungen oder nur vagen Verdachtsgründen" dürfe eine Durchsuchung nicht angeordnet werden.

Im konkreten Fall ergebe sich aus der Auswertung der Logdaten kein hinreichender Anfangsverdacht, heißt es in der Begründung. Vielmehr ergebe sich daraus nur eine einzige Verbindung mit dem fraglichen Server. Dem Beschuldigten sei nur eine Verweildauer von 45 Sekunden nachzuweisen, während der 45 Bilder – mit zwei Ausnahmen nur Thumbnails – übertragen wurden. Dabei habe es sich überwiegend "um Nacktbilder von Kindern" gehandelt. Sechs der Bilder seien Kinderpornografie, diese seien alle als Thumbnails dargestellt worden.

Siehe dazu auch:

(vbr)