Microsoft wächst, kann aber nicht überzeugen

Mit soliden Kernzahlen konnte der Redmonder Softwareriese sein Geschäftsjahr abschließen, die Anleger damit aber nur bedingt glücklich machen.

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Sie sind immer noch nicht fertig. Das offenbar unendliche Gezerre um die Übernahme von Yahoo dominierte auch das Schlussquartal von Microsofts Geschäftsjahr. Schon vor einem Vierteljahr, zur Bekanntgabe des Quartalsergebnisses, hatten sich die Analysten leicht genervt gezeigt von der öffentlichen Balz der beiden Kontrahenten. Doch die von Redmond auserkorene Braut ziert sich immer noch, obwohl sie eigentlich schon möchte, wie Brautvater Jerry Yang erst heute in einem Brief an seine Aktionäre bekräftigte. Steve Ballmer, der bullige Microsoft-Chef, buhlt derweil auch um AOL.

Doch es ist Earnings Season, und bei der Bekanntgabe der Zahlen interessieren an der Wall Street erst einmal nur diese. Trotz der schwächelnden Wirtschaftslage hatten die Analysten nach dem letzten Quartalsergebnis recht hohe Erwartungen in den Softwaregiganten gesetzt. Die konnte Microsoft nicht ganz erfüllen und wurde dafür im nachbörslichen Handel abgestraft. Der Kurs der Microsoft-Aktie gab bei Bekanntgabe des Ergebnisses nach US-Handelsschluss um gut 5 Prozent nach.

Im Schlussquartal 2008 konnte Microsoft den Nettogewinn von 3,04 Milliarden US-Dollar oder 0,31 US-Dollar pro Aktie um 42 Prozent auf 4,3 Milliarden US-Dollar (2,7 Milliarden Euro) oder 0,46 US-Dollar pro Aktie steigern. Die Wall Street hatte im Schnitt mit einem Gewinn von 0,47 US-Dollar pro Anteilsschein gerechnet. Das operative Ergebnis wuchs im Quartalsvergleich um 42 Prozent auf 5,68 Milliarden US-Dollar. Der Wert des Schlussquartals 2007 wurde dabei durch eine Garantieerweiterung für die Spielkonsole Xbox 360 mit 1,1 Milliarden US-Dollar belastet. Der Umsatz wuchs im Vergleichszeitraum von 13,4 Milliarden US-Dollar um 18 Prozent auf 15,8 Milliarden US-Dollar (knapp 10 Milliarden Euro).

Für das Gesamtjahr, das den Rückzug des Gründers Bill Gates aus dem aktiven Geschäft markierte, wies Microsoft eine Umsatzsteigerung um 18 Prozent auf 60,42 Milliarden US-Dollar aus. "60 Milliarden Dollar Jahresumsatz ist ein herausragende Leistung", freute sich COO Kevin Turner und lobte eine "starke Kombination" aus "großartigen Technologien" und effektiver Vermarktung. Den positiven Ausblick auf das gerade begonnene Geschäftsjahr konnten die Finanzexperten allerdings nicht ganz teilen.

Microsoft erwartet für das erste Quartal ein Nettoergebnis von 0,47 oder 0,48 US-Dollar bei Umsätzen von 14,7 Milliarden bis 14,9 Milliarden US-Dollar. Hier hatten Analysten mit 0,49 US-Dollar bei über 15 Milliarden Umsatz gerechnet. Für das Gesamtjahr prognostiziert Redmond einen Gewinn von 2,12 bis 2,18 US-Dollar bei Umsätzen von 67,3 Milliarden bis 68,1 Milliarden US-Dollar und liegt damit im Bereich der Analystenerwartung.

Microsofts Kerngeschäft mit Softwareprodukten ist weiter gewachsen, doch fürchten Anleger negative Auswirkungen der schwächelnden US-Wirtschaft. Zwar ziehen die PC-Verkäufe gerade in Asien an, doch blicken Softwarehersteller darauf mit gemischten Gefühlen: Die Region ist in der Branche berüchtigt für einen hohen Anteil illegal kopierter Software.

Beim Umsatz der Windows-Sparte ist von diesen Bedrohungen noch nicht viel zu sehen, er wuchs im Schlussquartal um fast 15 Prozent auf 4,37 Milliarden US-Dollar. Auch die Server-Sparte konnte um 22 Prozent auf 3,74 Milliarden US-Dollar zulegen. Der Umsatz des Business-Bereichs (Office) legte zwar auch um 14 Prozent auf 5,26 Milliarden US-Dollar zu, blieb damit aber hinter den Erwartungen zurück.

Microsofts Hoffnungen liegen vor allem auf dem Online-Geschäft. Die Sparte ist im Vergleich zum Software-Department noch klein. Die ersehnte Übernahme von Yahoo mit dem Suchmaschinen- und Werbegeschäft könnte das ändern. Bisher macht Microsoft online noch operative Verluste, die sich wegen steigender Kosten im Schlussquartal von 210 Millionen auf 488 Millionen US-Dollar ausweiteten. Der Umsatz wuchs von 677 Millionen auf 838 Millionen US-Dollar, davon 618 Millionen Anzeigenerlöse.

Auch die Entertainment-Sparte schreibt wieder Verluste, auch wenn diese im Schlussquartal von 1,22 Milliarden US-Dollar im Vorjahr auf 188 Millionen US-Dollar schrumpften. Der Umsatz der Sparte wuchs dank steigender Xbox-Verkäufe von 1,15 Milliarden auf 1,57 Milliarden US-Dollar. Der Absatz der Spielkonsole Xbox 360 hat sich im Quartalsvergleich von 700.000 auf 1,3 Millionen Stück nahezu verdoppelt.

Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Microsoft
(Das Geschäftsjahr beginnt jeweils im Juli)
Quartal Umsatz Nettogewinn
3/00 5.660 Mio. 2.390 Mio.
4/00 5.800 Mio. 2.410 Mio.
1/01 5.800 Mio. 2.200 Mio.
2/01 6.590 Mio. 2.620 Mio.
3/01 6.460 Mio. 2.450 Mio.
4/01 6.580 Mio. 66 Mio.
1/02 6.130 Mio. 1.280 Mio.
2/02 7.740 Mio. 2.280 Mio.
3/02 7.250 Mio. 2.740 Mio.
4/02 7.250 Mio. 1.530 Mio.
1/03 7.750 Mio. 2.730 Mio.
2/03 8.540 Mio. 2.550 Mio.
3/03 7.840 Mio. 2.790 Mio.
4/03 8.070 Mio. 1.920 Mio.*
1/04 8.220 Mio. 2.610 Mio.*
2/04 10.150 Mio. 1.550 Mio.*
3/04 9.180 Mio. 1.320 Mio.*
4/04 9.290 Mio. 2.690 Mio.
1/05 9.189 Mio. (2.901 Mio.) 2.530 Mio **
2/05 10.818 Mio. 3.463 Mio.
3/05 9.620 Mio. 2.563 Mio.
4/05 10.161 Mio. 3.700 Mio.
1/06 9.741 Mio. 3.141 Mio.
2/06 11.837 Mio. 3.653 Mio.
3/06 10.900 Mio. 2.977 Mio.
4/06 11.804 Mio. 2.828 Mio.
1/07 10.811 Mio. 3.478 Mio.
2/07 12.542 Mio. 2.626 Mio.
3/07 14.398 Mio. 4.926 Mio.
4/07 13.371 Mio. 3.035 Mio.
1/08 13.762 Mio. 4.289 Mio.
2/08 16.367 Mio. 4.707 Mio.
3/08 14.454 Mio. 4.388 Mio.
4/08 15.837 Mio. 4.297 Mio.

* Gewinne unter Bilanzierung der Umstellung auf das neue Aktienprogramm für Microsoft-Mitarbeiter
** nach nachträglichem Abzug der Sonderkosten durch die Einigung mit Novell

(vbr)